Gerhard Glück/Rolf Wagner(Hrsg.): Lieber Célestin Freinet, was ich Dir schon immer sagen wollte…
Rezension von Margret Oellrich-Wagner, 3.2006
Sie wollten immer schon mal wissen, welche Bewandtnis es mit Freinet und seiner Pädagogik hat? Dann folgen Sie einer seiner Leitideen: „Adler steigen keine Treppen“ und lesen Sie ein unsystematisches Buch dazu, denn wie uns sein bedenkenswerter Spruch sagt, lernen wir auch ohne systematischen Aufbau durch Sachverhalte, die im eigenen Kopf ausgewählt und verarbeitet werden.
Sie kennen sich aus in der Freinetpädagogik und möchten sowohl erhellende als auch kontroverse Stellungnahmen dazu lesen?
In beiden Fällen werden Sie Freude haben an dem von Gerhard Glück und Rolf Wagner herausgegebenen Buch:
Lieber Célestin Freinet
Was ich Dir schon immer sagen wollte…
Schneider-Verlag Hohengehren, ISBN: 3-8340-0062-0, 16,- €
Neunzehn AutorInnen schreiben als LehrerInnen, HochschullehrerInnen, als FortbildnerInnen und Eltern fiktive Briefe an Freinet. Es geht in erster Linie um grundlegende Methoden seiner Pädagogik und die Gegenüberstellung bzw. Einbindung in die gegenwärtige Bildungspolitik.
Während Renate Kock die Pädagogik Freinets in die Reformpädagogik ein- ordnet und Parallelen zum Konstruktivismus herstellt, setzt sich Walter Hövel kritisch mit der Freinetbewegung auseinander. Rolf Wagner beschreibt seinen persönlichen Zugang zur Freinetpädagogik und Lutz Kremer stellt vor, wie sich diese Pädagogik in Schweden etabliert hat.
Gerhard Glück geht es um eine Alternative zum herkömmlichen Ausbildungsbetrieb von LehrerInnen, Uwe Rabe überträgt die Ideen Freinets in die Erwachsenenbildung und Brigitta Kovermann berichtet, wie sie in der Hochschule Wirklichkeit werden können.
Eine Kontroverse über die „natürliche Methode“ finden Sie in den Beiträgen von Ruedi Rüegsegger und Hartmut Glänzel,
Eine Auseinandersetzung mit der herkömmlichen Didaktik der Mathematik beschreibt Anton Strobel, Christian Minuth mit der Fremdsprachendidaktik, Gerd Haehnel hat Vorschläge für die Musikdidaktik und Johannes Roeloffs für die Lesedidaktik, während Tanja Daschke die Freinet-Pädagogik um das Montessori-Material bereichern möchte.
Maria Wald und Margret Oellrich-Wagner stellen die Arbeit mit Kindern vor, die schwer beschulbar sind, einmal mit dem Blick auf eine Sonder-schulklasse und einmal als Integration in eine Hauptschulklasse und geben dabei Einblick in die Möglichkeiten und Grenzen von Strukturen freinetischen Lernens. Anke Lug schaut genau hin. Sie stellt die Selbstbildungsprozesse der Kinder dar, die subjektive Seite des Lernens, die die Freinetpädagogik mit der Freiheit ihrer Zugänge zum Objekt so erfolgreich macht.
Ein lebendiges Fenster in die Schulwirklichkeit öffnen Magdalena und Hannes Schlaghecke mit der Beschreibung einer irritierenden Erfahrung, die sie mit ihrem Sohn in einer Freinetklasse gemacht haben, während Susanne Otte, die Grundschullehrerinnen ausbildet, als Mutter die Ignoranz der weiterführenden Schulen beklagt, die ohne Rücksicht auf die Fähigkeiten unterrichten, die Kinder aus der Grundschule mitbringen, wenn sie ihre Sinnlichkeit entfalten durften und weitestgehend Herr ihrer Lernprozesse geworden sind.
Eine aktuelle Bibliographie der Freinet-Literatur, eine ausführliche Biographie Freinets, die in Verbindung zu aktuellen Ereignissen der Zeitgeschichte gesetzt wird, sowie ein hervorragendes Glossar mit Erläuterung der wichtigsten Begriffe der Freinet-Pädagogik, aber auch ganz praktisch mit Anschriften von Freinet-Schulen und Freinet-Kontakten, der Schilderung der Arbeit an Kindertagesstätten, usw., sowie ein ausführliches AutorInnenverzeichnis schließen dieses vielseitige und interessante Buch ab.
Margret Oellrich-Wagner
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