Homer Lane
und die Ford Republic

Die Junior Republics kopierten die real existierende Gesellschaft.

"Lane schin die bestehende Erwachsenenwelt keineswegs vorbildhaft und nachahmenswert zu sein, sondern oft dumm und brutal. Kinder sollten sie nicht einfach imitieren, sondern bessere Alternativen praktizieren. Lane handelte von Anfang an als (Reform-)Pädagoge und nicht als Politiker oder Geschäftsmann. Die Notwendigkeit pädagogischer Beteiligung und bestimmter Eingriffe oder Hilfen bei der Selbstregierung waren ihm selbstverständlich. Lane betonte von vornherein und später zunehmend die Bedeutung der feineren, höheren, altruistischen und sozialen Motive und weniger die einfacheren egoistischeren Motive wie Strafvermeidung und Belohnung." [Kamp, 1995, S. 243, Fettdruck im Original]

Die Ford* Republic (1907 - 1912) ähnelt allerdings noch mehr der Junior Republic. [Vgl. Ebenda]

Lane ließ sich 1901 zum 'Sloyd teacher' (Werklehrer) ausbilden. Die Sloyd-Methode entstand um 1950 in Schweden. Auf gar keinen Fall sollte das Kind zum Lernen gezwungen werden. Betont wurden die Arbeitsfreude, Freiwilligkeit, Selbständigkeit und Selbstätigkeit. Er hörte auch bei John Devey und war damals Montessori-Anhänger. [Ebenda, S. 244]

Lane kaufte eine 30-Hektar-Farm (30 km von Detroit) und startete das Heim schon mit der Renovierung: Die Bewohner der künftigen Republik - auch seine eigene Familie - renovierten die Gebäude. Im Gegensatz zu George vermied es Lane, den überlegenen Erwachsenen zu markieren und machte absichtlich Fehler, um den Jugendlichen zu demonstrieren, er könne es ja auch nicht besser. [Ebenda, S. 246]

"Seit Anfang 1909 bestand in der Ford-Republik ein voll ausgebautes Selbstregulierungssystem, daß auch fast 40 Jahre später bei Wills Besuch beinahe unverändert war: [...]
  1. Leitung
    Die durch den Heimleiter vertretene trägerorganisation ist Eigentümerin aller Anlagen. Der Heimleiter ist Richter des Obersten Gerichtshofes, der für alle Zerstörungen von öffentlichem Eigentum zuständig ist, außerdem für alle Berufungen gegen Entscheidungen des Bürgergerichtes sowie Begnadigungen. Sofern nicht Eigentum des Trägers betroffen ist, kann das Vetorecht des Heimleiters gegen alle Entscheidungen der Staatsregierung durch Zweidrittelmehrheit der Legislative überstimmt werden.

  2. Die Legislative besteht aus allen Bürgern, das sind alle mindestens zehnjährigen Jungen des Heims.

  3. Exekutive Dieses Kapitel regelt die Wahl des Präsidenten und sein Recht, für die Verhandlungen mit ausländischen Staaten (anderen Republiken, Einfügung JG) Vertreter zu benennen (ohne nähere Erklärung, Einfügung im Original). Zu den weiteren bezahlten Beamten scheint sich die Verfassung nicht zu äußern. Es sind dies der Leiter der öffentlichen Arbeiten (Superintendent of Public Works, Einfügung im Original), [...], der Gerichtsdiener und der vollzeitbeschäftigte (!, Ausrufezeichen im Original) Scheriff.

  4. Rechtssprechung. dieses Kapitel regelt die Richterwahl für das Bürgergericht. Die Verfassung legte auch die automatische Strafe für Republikflucht fest.
    Der Richter hatte bei Rückkehr des Flüchtlings sofort zwei Wochen Arrest anzuordnen und für den Monat danach close bounds, einen sehr scharfen Hausarrest, sowie das (in Stunden berechnete, Einfügung im Original) Karussellfahren (ride on the Merry-go-round, Lanes Erfindung; Einfügung im Original). Das Gericht verabreichte auch Schläge, zeitweise durch den heimleiter, zeitweise durch den Scheriff. Es gab auch Karzer, und Lane war mit Ohrfeigen rasch bei der Hand

Doch Lane achtete darauf, daß die Strafen nie brutal wurden. Er zog eine weise Erwachsenendiktatur für seine Kinder der auf einem brutalen Straf- und Gefängnissystem beruhenden Demokratie der George Junior Republic vor.

Die eigentlich bedeutenden Strafen waren finanziell. Für ihre Arbeit, auch Schularbeit, erhielten die Jungen je nach Tätigkeit den damals marktüblichen Stundenlohn von 10 - 15 Cent. Von diesem in der speziellen Republikwährung ausgezahlten Einkommen mußten Unterkunft und Verpflegung (3 $ pro Woche, Einfügung im Original), Steuern (40 Cents pro Woche, Einfügung im Original) sowie Kleidung und sonstige Ausgaben finanziert werden. Am Ende der Woche wurde abgerechnet. Wer zu wenig verdient hatte und das waren manchmal die Hälfte der Jungen, fiel der Staatskasse zur Last und lebte von den Steuern der Kemeraden. Außerdem konnte er die Beiträge der Sport- und Erholungsgesellschaften der Republik nicht aufbringen und also ihre Anlagen und Geräte nicht nutzen. Wer Schulden hatte, durfte die Republik nicht verlassen und konnte zu den täglich neunstündigen Staatsarbeiten unter Aufsicht des Scheriffs verpflichtet werden, um die Schulden abzuarbeiten.
Schlecht gemachte Betten wurden mit 50 Cents bestraft, wer unvorbereitet zum Unterricht erschien, erhielt (pro Stunde) 10 Cents von den 1,25 $ Schulgehalt abgezogen. Die aufwendige Buchführung von Arbeitszeiten, Entlohnung etc. sollte auch ein Anreiz zum Lesen, Schreiben und Rechnen sein. [Ebenda, S. 247ff]



Quelle: Kamp, Johann-Martin: Kinderrepubliken, 12. Homer Lane in USA: Die Ford Republic, Opladen 1995, S. 243ff.

weitere Literatur:

Es gibt nur eine einzige Informationsquelle:

Wills, William David: Homer Lane. A Biography. London: Allen and Unwin 1964



* Ford ist nicht identisch mit der Automarke Ford