Was war eigentlich vorher?
Was war vorher - Die alte Schule - VorläuferDie 'alte' Schule des Kaiserreiches ...
"Bevor durch das Unterrichtsgesetz (1870, Einfügung J.G.) das Schulwesen verstaatlicht worden war, lag der Schulunterricht - in Sonderheit der ärmeren Schichten der Bevölkerung - in der Hand der Kirche oder wurde durch das Armen- und Stiftungsschulwesen geregelt. Darüber hinaus gab es eine größere Zahl von Privatschulen und unterschiedlicher Größe und Qualität. In all diesen Schulen standen im Mittelpunkt des Lehrplanes das Auswendiglernen des Katechismus und das Lesen. Rechnen und Schreiben wurde in den besseren Schulen gelehrt, die aber auch ein höheres Schulgeld verlangten. (Klenner, A.: Reformpädagogik konkret: Leben und Werk des Lehrers Carl Friedrich Wagner, Hamburg 2003, zugl. Universität Hamburg, Diss. 2002, S. 78) ... In einer 'allerhöchsten Ordre' vom 1. Mai 1889 hieß es, die Schule habe in erster Linie 'durch Pflege der Gottesfurcht und der Leibe zum Vaterland die Grundlage für eine gesunde Auffassung auch der staatlichen und gesellschaftlichen Verhältnisse zu legen.' (Ebenda) ... Darüber hinaus weist die Kabinettsordre der Schule die Aufgabe zu: '... schon der Jugend die Überzeugung zu verschaffen, dass die Lehren der Sozialdemokratie nicht nur den göttlichen Gaben und der christlichen Sittenlehre widersprechen, sondern in Wirklichkeit unausführbar und in ihren Konsequenzen dem Einzelnen und dem Ganzen gleich verderblich sind.' (Ebenda) ... 'Das Exerzieren begann beim ersten Schreibunterricht. Die Schüler saßen aufrecht in der vorgeschriebenen Haltung, die linke und rechte Hand genau an ihren Ort fixiert. Sie setzten auf Kommando ihr Schreibwerkzeug an. 'Auf - ab! Auf - ab! Haarstrich - Druckstrich!' befahl der Lehrer, und alles schrieb im Takt des Gleichschritts, der mit dem Lineal aufs Pult geschlagen wurde. (Lamszus, Wilhelm: Aus den Kampfjahren der Schulreform, in: Hamburger Lehrerzeitung, 3. Jahrgang, Nr. 14 vom 25.9.1950, zitiert nach Klenner, S. 82) ... 'Ist der Unterricht geschlossen und soll nach Hause gegangen werden, so bedient man sich des Kommandos: Eins! für das Zusammenlegen und Einpacken der Schulsachen: Zwei! für das Heraustreten aus der Bank, um die Kleidungsstücke von dem Kleiderrechen zu holen: Drei! (nachdem sie sich fertig gemacht, den Ranzen umgeschnallt, etc.) zum paarweisen Aufstellen und Abmarschieren. Der Lehrer geht mit den Kindern und begleitet sie noch ein Stück auf die Straße, der soll 'ihnen nachsehen'.' (Heilmann, Karl: Handbuch der Pädagogik, Bd. 2, Leipzig, 1904, S. 310, zitiert nach Klenner, S. 83) |
... in der Kritik
Aus der Sicht der Reformpädagogen
Der Art und Weise der Gänsemast gleicht ihre Pädagogik fast: Sie stopft hinein, lockt nichts heraus, Singvögel werden schwerlich draus. Bremer Spottvers |
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Während Friedrich Ebert mit seinen Forderungen nach Lehrmittelfreiheit und Schulgeldfreiheit in der Volksschule sowie nach innerer Reform und Besserstellung der Volksschullehrer ein neues soziales Denken einleitete, blieb die Organisation von Schule und Unterricht unverändert.
- "Das Rückgrat des ganzen Kontroll- und Überwachungssystems bildete die Schulverwaltung. Korrektheit [bei der Einhaltung der Vorschriften, Einfg. JG] schien wichtiger als Lebendigkeit, die Inspektion durch den Vorgesetzten wichtiger als das Glück der Kinder. So wenig der Ministerialvertreter ruhte, bis er den Bildungsinstitutionen seines Ressorts den Stempel seines Geistes aufgedrückt hatte, so wenig der Rektor bis 'seine Schule' den Stempel 'seines Geistes' trug."
Quelle: Gansberg, Fritz: Demokratische Pädagogik - Ein Weckruf zur Selbstbetätigung. Leipzig, 1911
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"Das Verwalten eines überspannten Stoffprinzips in der alten Schule hat im Laufe der Zeit eine einzeitig autoritative Stellung des Lehrers herbeigeführt und in der Kinderschaar Egoismus und Unwahrhaftigkeit großgezogen."
Quelle: Leipziger Lehrerverein: Die Arbeitsschule Leipzig, 1909 (hier wieder: 1922 5.Auflage), S. 2f
- Es herrscht zu wenig Zusammenhang zwischen den einzelnen schulischen Tätigkeiten des Kindes auf Grund der strengen Fächergliederung
- Die Gegenstände haben zuwenig Anknüpfungspunkte zu den Interessen des Kindes und entsprechen nicht der Entwicklungsstufe des Kindes
- Die Einteilung der Fächer entspricht nicht dem Denkvermögen des Kindes
- Die Stoffmenge übersteigt die kindliche Aufnahmefähigkeit
- Eine einseitig wortorientierte Wissensdarbietung dominiert.
- Musisch-kreative Tätigkeiten werden vernachlässigt
- Aufgrund einer disziplinorientierten Pädagogik gibt es zuwenig Gelegenheit für individuelle, selbst gewählte Aktivität des Kindes
- Kinder können mit dem abstrakt präsentiertem Stoff nichts anfangen
Quelle: Paster, Thomas: Alternativschulen in Österreich Wien, 1999 (Internetveröffentlichung)
- die Einteilung in Haupt- und Nebenfächer
- intellektuelles Übergewicht
- das Prüfungs- und Zeugniswesen
- das Spiel mit der Versagensangst der Schüler
- den Leistungsdruck
- die Bewegungseinschränkung durch Stillsitzen
- die strenge Einteilung der Zeit in Schulstunden
- die Einteilung in Jahrgangsklassen und damit
- die Förderung des Wettbewerbsdenkens
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Zentrale Prinzipien des Dalton-Planes sind:
- die Freiheit des Schülers in sittlicher Verantwortung
- die Betonung der Zusammenarbeit zur Bildung eines sozialen und demokratischen Bewusstseins
- die persönliche Erfahrung durch Selbsttätigkeit des Schülers
- Fremdsprachenunterricht ab der 1. Klasse (zwei Fremdsprachen)
- künstlerisch/musisch gestaltete Schulfeiern für Eltern und externe Besucher
- handwerklicher und künstlerischer Unterricht - 'Jedes Kind lernt ein Instrument'
- Eurythmie, ein künstlerischer Verbindung von Sprache und Musik durch Bewegung
- Zeichnen und Erleben von geometrischen Formen durch Bewegung
- Schul- und Klassenorchester
- Integration von beruflicher und allgemeiner Bildung
- mehrwöchige Praktika in verschiedenen Bereichen (Feldmessen, Landwirtschaft, Forstwirtschaft, Soziales, Berufsfindung, Industriepraktikum, ...)
- Klassenspiel (Theateraufführungen) für alle Schüler, Eltern und externe Besucher
- Lehrerspiel (Theateraufführungen der Lehrer und Eltern) für Schüler, Eltern und externe Besucher
- Selbstverwaltung ohne Schulleiter
- Sie [die Kunsterziehungsbewegung] hat die überfällige Kritik an der alten Lernschule geübt, die dem Kind seine geistige und körperliche Bewegungsfreiheit verweigert und seine schöpferischen Potentiale brach liegen ließ
- sie hat sinnliche Wahrnehmung an die Stelle des Buchstabenwissens, das Selbertun an die Stelle des Nachbetens und die Erfindung an die Stelle der Nachahmung gesetzt,
- sie hat Einsichten in die sozialisierende Wirkung einer gesunden und gut gestalteten Wohnumwelt vermittelt und den Schulbau in hygienischer und ästhetischer Hinsicht verbessert,
- sie hat die künstlerische Kreativität des Kindes, sein eigenständiges Ausdrucksvermögen in den Blickpunkt des pädagogischen Interesses gerückt, und
- sie hat die Bedeutung ästhetischer Bildung für die nachwachsenden Generationen somit für das kulturelle Profil der Gesellschaft und für das künftige Verhältnis von persönlicher und sozialer Kultur bewusst gemacht.
Aus medizinischer Sicht 
Von physiologischer Seite wurde der Vorwurf erhoben, dass 'die Schulen, vor allem die Gymnasien, verstoßen gegen die Bedingungen und Gesetze der körperlichen Entwicklung, deren Harmonische Ausbildung sie anstreben. Die Lehrart und der Lehrstoff der Schule seien verkehrt, also ihre institutionelle Spezifikation, so dass sich die Freude am Lernen sich allmählich bei jedem Kind in das genaue Gegenteil verwandeln muss. (Preyer, W.: Naturforschung und Schule, 1887 S. 8f, zitiert nach Oelkers: Reformpädagogik, S. 61)Diese Kritik wurde von W. Preyers auf der 60 Versammlung Deutscher Naturforscher und Ärzte geäußert und erhielt unter dem Stichwort Überbürdung die breite Aufmerksamkeit - auch der Öffentlichkeit. Der Verein: Allgemeiner Deutscher Verein für Schulreform - 'Die Neue Deutsche Schule' hatte u.a. zum Ziel: Bessere Schulhygiene und größere Fürsorge für die körperliche Entwicklung der Jugend.
"Typisch ist die Stellungnahme eines Arztes über die Rückständigkeit des Lehrplanes: '1885 wie 1850 das nämlich öde Einerlei, das hundertjährig Hergebrachte, das papageienhaft nachgeschwatzte und nachgeschriebene ewig-Gestrige vom Verhalten des Philoket in Sophokles gleichnamiger Tragödie, von der Entwicklung des Gedankengangs in der Vorrede zu Sallustius Jugurthinischen Kriegen, vom Charakter Macbeth's, von den Mitiven, welche Hagen zur Ermordung Siegfrieds veranlassten und so fort in unerfreulicher, unheimlich gleicher Weise." (Zitat bei Oelkers, S. 62)
Diese Kritik wird um 1900 noch ausgeweitet: T. Benda veröffentlicht ein Buch zur 'Nervenhygiene und Schule' (Berlin, 1900), in dem die Motivationsmittel der Schule: 'Strafe und Ehrgeiz' aus medizinischer Sicht stark kritisiert wurden. Benda stellt fest, dass die Entwicklung zur gesunden Persönlichkeit nicht mit dem System der aktuellen Schule in Einklang zu bringen ist.