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Geschrieben von AnnaA am 23.12.2010 um 10:50:

Unterschied zur Freinet Pädagogik

Hallo,

Ich interessiere mich sehr für das Konzept Offener Unterricht und wollte fragen inwiefern sich Offener Unterricht von der Freinet Pädagogik unterscheidet. Leider habe ich dazu nicht viel ausfindig machen können.

Danke für die Hilfe.

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Anna


Geschrieben von Juergen am 15.09.2011 um 21:49:

Hi Anna,

da gibt es auch kaum etwas geschriebenes. Peschel war auf der Mitgliederversammlung der Freinet-Pädagogen eingeladen - die haben auch mit glänzenden Augen zugehört, aber die angekündigte Aufarbeitung steht bisher aus.

Ich sehe das ehr wie Herbert Hagstedt von der Uni Kassel: der Offene Unterricht ist mehr eine Weiterentwicklung der Freinet-Pädagogik.

Vielleicht kannst Du auch mal bei Walter Hövel von der Grundschule Harmonie in Eitorf bei Köln nachfragen. Das ist eine Freinet-Schule und Peschel war da Konrektor. Diese Schule hatte Hagstedt im Blick, als er von Weiterentwicklung schrieb.

Liebe Grüße

Jürgen

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Jürgen Göndör
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Geschrieben von Dirk am 19.10.2011 um 21:25:

Hallo. Ich kann aus meiner Erfahrung den Peschelunterricht@Harzberg mit der Freien Schule Prinz Höfte in Bassum vergleichen. Letztere ist eine sehr interessante Gesamtschule, die Systemische Pädagogik mit der Freinetpraxis kombiniert. Ich habe auch neulich in Berlin mit Freinet-Pädagogen gesprochen und mittlerweile den Eindruck bekommen, dass Freinetarbeit sehr wohl im Kern eine Form von Offenem Unterricht ist. Was die Freinets mitbringen ist ein ganz ordentliches Strukturgerüst für die Unterrichtsorganisation. Und da gibt es eine Menge, was man vorstrukturieren kann: Den Ablauf der Versammlung, die Lernphasen, Themen-Epochen, Klassendienste etc. Es ist ein selbstorganisiertes Lernen, worum es geht, nicht unbedingt ein selbstbestimmtes Lernen. Das muss nicht schlechter sein. Was mir an der peschel'schen Öffnung gefällt, ist die hochgradige Individualisierung. Die Klasse bestimmt gemeinsam über die Strukturen und kann sie nach Bedarf anpassen und in der Findung der geeigneten Strukturen einen Prozess durchmachen mit den entsprechenden Fehlern und Sackgassen. Schüler müssen so nicht einem vorgefertigten Gerüst passen, sie bauen sich ihr eigenes Gerüst - und der Lehrer macht und lernt natürlich mit. Vermutlich ist er das entscheidende Stück im Puzzle - trotz Öffnung und Zurückhaltung in vielerlei Hinsicht. Das heißt auch, dass der Lehrer ein stark demokratisches Verständnis besitzen muss und trotzdem wissen muss, was er eigentlich will bzw. wissen muss, dass er sich dafür entschieden einsetzen muss. Gewissermaßen fehlen dem Lehrer bei zunehmender Öffnung die ganzen "Krücken", an denen man sich festhalten könnte. Montessori, Freinet, Steiner und all die anderen bieten solche Krücken... Wer unsicher ist, greift danach und ist damit vielleicht sogar gut beraten.


Geschrieben von Juergen am 24.11.2011 um 15:29:

Hi AnnaA und Dirk,

das ist ja meiner Meinung nach die Kritik an der Freinet-Pädagogik: Weil eben viel vorstrukturiert ist, ist es wie Dirk sagt ein selbstorganisiertes Lernen. Die Selbstbestimmung kommt zu kurz.

Der Klassenrat ist eine Institution, der Kreis bei Peschel ein Instrument der Kinder. Ich bin mir nicht sicher, ob der Klassenrat abgeschafft werden kann - wahrscheinlich nicht. Der Kreis kann abgeschafft werden und wird auch abgeschafft und auch wieder eingerichtet.

Und da hat Peschel auch eine andere Position als eine Freinet-LehrerIn. Die Struktur soll die kooperative Haltung in der Klasse garantieren (bei Freinet). Vielleicht tat sie das früher. Heute sind m.E. die Zeiten anders und die Kinder hinterfragen auch die Struktur und brauchen dann die Freiheit, auch sie zu ändern.

Und man muss sich im Klaren sein, die Krücken sind die, die die LehrerIn braucht - nicht die Kinder! Insofern ist die LehrerIn vielleicht gut beraten aber nicht die Kinder.

Liebe Grüße

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Jürgen Göndör
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