Servus Jürgen,
danke für Deine ausführliche Antwort. Ja, dem was Du über freiwillig lernen sagst, und zwar weil man es will, dem kann ich nur zustimmen.
Klar muß nicht jeder alles können. Nur wenn kein Angebot da ist, kein Anregung, keine Inspiration, dann kann man sich auch nicht dafür entscheiden. Das Thema, das ich hier anzuprechen versuche, ist wahrscheinlich eines, mit dem ich bei den meisten "freien" Schulen-Anhängern anecke, sobald ich es nur erwähne. Die denken nämlich, dass ich vom wahren Glauben abgefallen bin oder ihn noch nicht habe - und versuchen mich zu bekehren. Dabei bin ich immer noch über die fünf Dimensionen des Offen Unterichts durch Peschel froh, denn da hat man einen klaren Rahmen, innerhalb dessen man sich frei bewegen kann.
Ich probiers mal so: ich las vor kurzem den Satz: Freie Alternativschulen sind kein Hort der Hochkultur. (Natürlicherweise sind das Normalschulen auch nicht). Und das war die Selbstbeobachtung eines Freien Schul-Anhängers. Und auch meine Beobachtung all der verschiedenen F-Schulen deckt sich damit. Also ist die Möglcihkeit, ein klassisches Instument zu erlernen, oder aber auch z. B. eine exotische Sprache oder intensives, wissenschaftliches Forschen an einem Thema sehr unwahrscheinlich. Du merkst wahrscheinlich, dass es hier eher um die Sekundarstufe geht. Peschel hat ja in seiner Evaluation gezeigt, dass die Kids innerhalb der vier Grundschuljahre allen nötigen Stoff oder die Anregungen dazu von selbst in den Unterricht mitbrachten, obwohl er ja die Option hatte, eigenes als sein Projekt in den Unterricht zu bringen und damit Impulse zu setzen.
Nur wie sieht es damit in der Sekundarstufe aus? Es gibt ja einiges, was man können könnte, wenn man davon wüßte und es wollte. Es kommen ja dort auch noch die "regelschulsozialiserten Quereinsteiger" -wie Peschel sie nennt- dazu, die das Lernen systematisch verlernt haben. Meine Frage ist: Was kann - oder muß ein Pädagoge in den Unterricht alles einbringen, damit die Kids nicht nur so lala über die Runden kommen, sondern damit sie wieder ins begeisterte Lernen zurückkommen? (Unsere Gründingsinitiative Freie-demokratische-Schule-Franken.de) steht vor der Entscheidung, eine Sekundarstufe mit 15 oder mehr Schülern zu starten und da hätte man dann eben 100% Quereinsteiger, die keinen Bock auf Lernen haben und auch sonst ein etwas ääääh - seltsames Sozialverhalten haben. Bisher haben uns alle - inclusive Peschel abgeraten. Das wäre eine Art Höllenkommando.)
Abgesehen davon ist doch wünschenswert, dass sie sogar sogar in bestimmte Bereiche vordringen können, die andere nie für möglich gehalten haben?
O.K, natürlich muß das letzter keiner - aber die Chance dazu, die Möglichkeit, kann oder sollte doch bestehen, oder?
An freien Schulen bekommen kritische Beobachter den Eindruck, man vermeide mit den Finger zu schnippen, denn man könnte dadurch etwas bei den Schülern auslösen.
Ich meinerseite würde auf mehr (ehrenamtliche) Erwachsene setzen, die da sind, um Ansprechparter und Anstößer für die Kids und ein Gegenüber zu sein, das sie annimmt. Auf einen Grundstock an (später änderbaren) Regeln, damit Orientierung da ist. Auf eine sehr vielfältige Umgebung in der Schule aus allen Bereichen des realen Lebens, auf eine Entschulung der Schule nach Hentig. Und noch mehr: Auf Angebote, Tipps und Tricks, wie man leichter etwas lernt, auf Lernturbos wie z.B. Sprachenlernen nach V.F. Birkenbihl und was weiß ich noch für Lernmethoden. Auf Angebote zur persönlichen Zeit- und Lernplanung, auf Lernzielvereinbarungen, auf Kompetenzbeschreibungen und Bestätigungen, dass diese Kompetenzen erreicht worden sind. Allles natürlich nur Angebote und alles freiwillig. Mit weniger kann ich mir einen Erfolg gar nicht vorstellen. Aber natürlich würden wir hier eine Tendez vorgeben. Die Kids würden wissen, wo es bei uns lang geht und was wir erwarten.
Nur: Jeder aus der Freien Unterrichtspraxis oder den demokratischen Schulen, mit dem ich darüber rede, tut sich schwer damit. Wenn ich aber genauer hinschaue, dann wird doch im Schulealltag etwas getan, gelenkt oder geschoben.
Wenn wir an unserer Schule auch in der Sekundarstufe den OU nach Peschel als unseren Rahmen nehmen, was denkst Du, würde für die geschilderte Situation hineinpassen?
Bis dann,
Johannes
|