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Juergen
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Dabei seit: 08.11.2003
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Kinderkonferrenzen - 7 Fragen und Antworten Zitatantwort auf diesen Beitrag erstellen Diesen Beitrag editieren/löschen Diesen Beitrag einem Moderator melden       IP Information Zum Anfang der Seite springen

Hi, hier interessante Fragen und Antworten zur Kinderkonferenz - zwar im Kindergarten, gilt aber für Schule genauso (nach meiner Meinung)
Antworten von Lothar Klein:

1) Wie lange dauert durchschnittlich der Prozess bis eine Kindergruppe eine
Kinderkonferenz sehr selbstständig führen kann?


Das hängt davon ab, wie Erwachsene "selbständig führen" definieren.
Wenn sie ihre eigenen Vorstellungen (nach einander reden, moderieren
können, das Wichtigste zuerst, Ergebnisorientierung usw.) als Maßstab
formulieren, dauert es natürlich sehr lange. Und es braucht dafür
systematische Anleitung. Als Gefahr dabei sehe ich, dass die Form
wichtiger wird als der Inhalt. Das kann leicht zur
Pseudo-Partizipation werden. Dann dient die KK nicht mehr den
Interessen der Kinder, sondern dem Zielen der Erwachsenen, Kinder
sollen Demokratie lernen oder ähnliches. Ich habe Kinderkonferenzen
erlebt, die aus meiner Sicht "drunter und drüber" gingen, in der
Kinder aber durchaus ihre Angelegenheiten geregelt haben.
Andererseits kenne ich eine Reihe von Einrichtungen, die das so
systematisch praktiziert haben und in denen die Kinder die
Abschaffung oder eine "Kinderkonferenzpause" durchgesetzt haben. Der
maßstab für mich ist immer: Nutzt die KK den Kindern oder nicht?

2) Welche Schwierigkeiten können bei Kinderkonferenzen auftreten und
wie reagiere ich darauf?


Gelassen bleiben! Kinder sind Lerner! Sie üben! Die Maßstäbe
verändern. Kinder nicht erziehen wollen, sie aber dort unterstützen,
wo sie es selbst wollen. Ganz einfach Fragen stellen wie: Was kann
ich für euch tun? Wollt ihr, dass ich euch helfe?
Schwierigkeiten gibt es genug. Aber erstens gehören sie zum LERNEN
und zweitens erleben sie KInder häufig ganz anders als Erwachsene.

Hier ein paar Rückmeldungen nach einem Rollenspiel mit Erwachsenen.
Sie waren in den Rollen von Kindergartenkindern und haben eine KK
gespielt:
"War traurig, daß mein Zettel nicht dran kam" -
"Habe mich nicht getraut, mich zu melden" -
"Bin mir wichtig vorgekommen" -
"Als Fünfjähriger habe ich die Dreijährige nicht verstanden." -
"Muß sich der Dran-Nehmer selbst melden?" -
"Gut war der Zu-Laut-Sager. Da gab es keine Doppelrolle von Dran-Nehmer und Zu-Laut-Sager." -
"Gut, daß die Erzieherin sich selbst melden muß. So muß sie auch warten, bis
sie dran kommt." -
"Was passiert, wenn jemand den Zettel doof findet?" -
"Jede Äußerung wird auf diese Weise ernst genommen." -
"Für Dreijährige ist es schwer, sich zu melden." -
"Was würde passieren, wenn die Teilnahme nicht verpflichtend ist ?" -
"Jeder muß mir zuhören! ' gutes Gefühl!" -
"Zwischendrin war es mir langweilig." -
"Will wissen, wann mein Zettel dran kommt. Heute kam er nicht dran." -
"Was haben wir eigentlich beschlossen? Das war mir unklar." -
"Ich war froh, als es vorbei war."


3) Wie stark soll sich die Pädagogin bei der Kinderkonferenz zurücknehmen? Sollte sie auch bei den Anfängen von Kinderkonferenzen nur wenig Hilfestellungen geben?

Das sollten die Erzieherin selbst herausfinden. Sie sollte die Kinder
fragen oder ganz vorsichtig (wenn sie an der Reihe ist!) etwas
vorschlagen und sehen, ob die Kinder es annehmen oder nicht.
Ansonsten gilt: "Nach meiner Meinung besteht die Rolle des Lehrers
darin, so lange wie möglich zu schweigen. Aber auch darin, ganz
vorsichtig einen Blick über den Zaun vorzuschlagen, wenn sich aus dem
Geschehen heraus eine Richtung anbietet." (Paul le Bohec)


4) Gibt es bestimmte Regeln an die sich Kinder und Pädagogin bei der Kinderkonferenz halten müssen? Wie ist die Gesprächskultur?

Ich kenne eine Unmenge von Regeln. Die meisten halten die Kinder
davon ab, sich einzubringen, ihre Interessen zu vertreten. Selbst die
allgegenwärtige "nach-einander-reden-Regel" kann hemmend sein. Vor
allem Erwachsene halten sie selten ein und reden einfach rein. Bei
uns war es so geregelt, dass man sich gemedelt hat und es einen
"Drannehmer" gab. Ich kenne aber auch Redesteine, Redebälle oder
ähnliches. Die Zettelei hat sich auch bewährt. Aber: fast immer
können diese Regeln auch hinderlich werden. Sie sollten auf keinen
Fall zu 100% durchgedrückt werden, sondern u.U. immer wieder neu mit
den Kindern verhandelt werden. Ich bin da sehr großzügig. Hauptsache,
die Kinder könnne ihre Angelegenheiten besprechen. Im Kinderrat bei
mir saßen sie z.B. unter meinem Schreibtisch, oben drauf, in der Ecke
usw. - und konnten doch miteinander reden. Gesprächskultur muss sich
langsam entwickeln - und es ist keine Erwachsenen-Kultur!

5) Gibt es Themen die gar nicht angeschnitten werden dürfen? Sollte ich es als Pädagogin zulassen,wenn ein Kind beispielsweise darauf besteht seine familiären Probleme auszusprechen? (Missbrauch, ... )

Warum sollen Themen, die die Kinder einbringen nicht besprochen
werden dürfen, wenn sie sie selbst einbringen? Hier braucht es viel
soziale Fantasie und Kommunikationsfähigkeit der Erwachsenen. Es
gilt: Jedes Kind kann jedes Thema einbringen. Dafür ist das genau der
richtige Ort. Sie erzählen ihre Geschichten. Manchmal ist die Frage
gut: "Sollen wir darüber sprechen oder möchtest du uns das nur
erzählen?" Oft reicht das Erzählen oder das Mitfühlen nämlich aus.
Ein Tipp ist das Buch von M. Delfos aus der Literaturliste.


6) Ist die Kinderkonferenz verpflichtend?
Wie verhalte ich mich Kindern gegenüber, die nicht an der Kinderkonfernz teil haben wollen?


Meistens ist sie verpflichtend. Ich bin ein glühender Verfechter der
Freiwilligkeit. Ich glaube, es gibt keine echte Partizipation ohne
Freiwilligkeit! Wer nicht teilnehmen will, hat dafür einen guten Grund
und dem sollten Erwachsene mit Respekt begegnen. Was ist schlimm
daran, wenn nur 3 teilnehmen? Für diese drei ist das Treffen wichtig,
für die anderen nicht. Auch hier ein schönes Zitat bzw. Gedicht: "Als
ich Gefangener war in deinem Hause und die Türen noch verschlossen
waren, plante mein Herz ständig zu fliehen. Jetzt, da du die Türen
und Fenster geöffnet hast, bleibe ich. Mit meiner Freiheit hast du
mich gebunden." (Rabindranath Tagore)


7) Haben Sie eventuell konkrete Vorschläge und Tipps für Kinderkonferenzen
die sich in ihrer eigenen Praxis bewährt haben?


Vor allem: Gelassenheit an den tag legen und sich Zeit lassen, mit
Kindern reden, sie um Rat fragen und mit ihnen nach und nach die
richtige, dh. passende Form finden. Kinder zu Akteuren machen! Jede
Form hat sich bewährt, aber eben nicht überall. Das hängt von den
jeweiligen Kindern und Erzieherinnen ab. Meine "Lieblingsform" ist
die, die Rosy Henneberg in unserem neuen Buch am Beispiel des
Stuhlkreises beschreibt (ist im Anhang): Viele Treffen mit
unterschiedlichen Kindern und zu unterschiedlichen Themen oder die
freiwillige: jeder hat das Recht eine KK einzuberufen, wenn er ein
Thema hat ( "Kinderkonferenz!" ). Wer teilnehmen will kann es dann
machen. Hier braucht es bloß einen KK-Ort. Wenn jemand einberuft,
treffen sich die teilnehmenden Kinder immer dort. Wer einberuft, hat
zuerst das Wort und sagt, worum es ihm oder ihr geht. Dann wird
darüber gesprochen oder entschieden. Danach wird noch gefragt: "Gibt
es noch jemanden, der etwas ansprechen möchte?" und die Gruppe geht
wieder auseinandern. Gut finde ich an diesem und den Treffen, die
Rosy Hennebrg vorschlägt, weil sie keinem Schematismus folgen,
zeitnah an den Interessen der Kinder sind und sie selbst zu Akteuren
macht.

06.01.2006 12:03 Juergen ist offline Email an Juergen senden Homepage von Juergen Beiträge von Juergen suchen Nehmen Sie Juergen in Ihre Freundesliste auf
 
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