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Michael Kellner
Grünschnabel




Dabei seit: 12.02.2009
Beiträge: 4

Offener Unterricht mit Methode Zitatantwort auf diesen Beitrag erstellen Diesen Beitrag editieren/löschen Diesen Beitrag einem Moderator melden       IP Information Zum Anfang der Seite springen

Lieber Jürgen Göndör,
Sie baten mich um einen Austausch zum Ansatz Offener-Unterricht-mit-Methode und den Unterschied zum Ansatz Falko Peschels.
Entschuldigen Sie für die Verzögerung meiner Antwort. Durch die anstehende Schulreform in Hamburg bin ich im Moment sehr mit dem Fortbilden beschäftigt.

Erst einmal möchte ich sagen, dass ich diesen Ansatz nur ungern als direkten Konkurrent zum Ansatz Falko Peschels verstehen würde, auch wenn es sicherlich einige Differenzen gibt.
Ich wertschätze die Arbeit von Herrn Peschel sehr und freue mich sehr darüber, dass er eine solide Basis und eine brauchbare Definition zum offenen Unterricht liefern konnte. So hatte sein Konzept zur Folge, dass sich viele Lehrer/innen darüber bewusst wurden, dass Sie eigentlich gar keinen wirklich offenen Unterricht praktizierten - auch wenn sie sich Jahre lang damit geschmückt haben. Die Definitionsproblematik ist durch das 3-Stufen-Modell des Offenen Unterrichts gelöst.

Zunächst nun also zu den Gemeinsamkeiten beider Ansätze:
- beide Ansätze sehen jedes einzelne Kind bewusst als Individuum an, welches seine ganz speziellen Eigenschaften mitbringt
- bei beiden Ansätzen orientiert sich die Pädagogik am Kind und nicht umgekehrt
- das Vorhaben beider Ansätze ist die Offenheit in organisatorischer, inhaltlicher, methodischer und sozial-integrativer Weise (wobei letzteres im Ansatz Offener Unterricht mut Methode mit Einschränkungen enthalten ist)
- beide Ansätze verlangen einen Unterricht der jedes Kind im eigenen Tempo, nach eigenen Interessen und Fähigkeiten anspricht und eine individuelle Persönlichkeitsentwicklung anstrebt
- beide Ansätze fordern und fördern das selbstständige/eigenverantwortliche Lernen, Eigenverantwortlichkeit und intrinsische Motivation
- beide Ansätze verfolgen einen authentischen, nicht-synthetischen Unterricht. Es gibt nur wenige vom Lehrer klar determinierte Aufgabenformate als Pflichtvorgabe
- beide Ansätze enthalten die „Pädagogik des leeren Blattes“
- beide Konzepte erfordern eine veränderte Lehrerrolle und verlangen andere Lehrerkompetenzen, als es bei der traditionellen Lehrkraft der Fall ist. Der Lehrer ist kein Determinator, sondern viel mehr ein Begleiter des selbstständigen Lernprozesses.


Nun zu den Unterschieden:
Ansatz Falko Peschel:
Man entlässt die Kinder von Anfang an in eine vollwertige 3-Stufen-Öffnung und konfrontiert sie mit der Vielfalt der schulischen Lerninhalte. Am besten lernen die Kinder, wenn man sie einfach machen lässt.

Offener-Unterricht mit Methode:
Dieses Konzept stellt den Kindern sehr offene Lernarrangements zur Verfügung, in denen sie selbstständig arbeiten können. Allerdings geht man hier davon aus, dass man den Kindern in sogenannten Kompetenztrainings (welche vorab stattfinden) zunächst einmal das nötige Rüstwerkzeug an die Hand geben muss, welches sie benötigen, um im Lernarrangement selbstständig handeln zu können. „Möchte jemand einen Tisch bauen, so wäre es doch sinnvoll, ihm vorher zu zeigen wie der Hammer gehalten und der Hobel bewegt wird. Mit diesen Kompetenzen kann dann jeder seinen eigenen, ganz persönlichen Tisch bauen. Der eine baut einen großen Tisch, der andere einen kleinen, der eine braucht lange für seinen Tisch, der andere nur kurz.“
Wer sich die Lernarrangements des Konzepts genauer anschaut (sie sind auf der Homepage nur grob dargestellt) wird merken, welche Offenheit in ihnen steckt, auch wenn es einen klar definierten Handlungsrahmen gibt.
Das Konzept führt die Kinder schrittweise zu einer vollwertigen 3-Stufen-Öffnung. Organisatorische und inhaltliche Öffnungen lassen sich sehr schnell realisieren (bereits ab Klasse 1). Zur methodischen Öffnung kommt es erst, wenn die Kinder einige fundamentale Methoden des projektorientierten Unterrichts beherrschen und die damit einhergehenden Kompetenzen erworben haben. Es handelt sich dabei z.B. um das Erstellen eines Lernplakates in der Forscherwoche, das Schreiben eines Zeitungsartikels für die Klassenzeitung, das Erstellen von Quizzfragen, Themen tiefgründig erforschen, systematischer Umgang mit schwierigen Texten, das offene Schreiben und das offene Lesen, kreatives Schreiben, Durchführung einer Schreibkonferenz, das Vorstellen und Präsentieren in vielfältigsten Formen etc.
Sind die Kinder einmal mit diesen Methoden vertraut dürfen sie zunehmend eigene methodische Ideen entwickeln, diese Woche für Woche mit der Lehrkraft besprechen und selbstständig durchführen. Es hat sich gezeigt, dass das methodische Vorwissen der Kinder bzgl. des Lernen lernens für sie mehr als hilfreich bei der selbstständigen Konzeption neuartiger Methoden für das eigene Lernen (im sog. offenen Wochenplan) ist - ja, es sie gar beflügelt.

So lässt sich sagen, dass das Ziel beider Ansätze in etwa identisch ist. Allerdings unterscheidet sich der Weg dorthin teilweise deutlich.
Offener Unterricht mit Methode integriert das Konzept der Kompetenzorientierung.

Weitere Anmerkungen:
- Offener Unterricht ist kein einheitliches Pädagogisches Konzept. Das war es nie und das ist es bis heute auch nicht (vgl. Eiko Jürgens). Es ist vielmehr eine pädagogische Grundüberzeugung, ein Schlagwort, ein offener Begriff. Es gibt keine klare didaktisch-inhaltliche Definition.
- Offener Unterricht kann daher von Lehrer zu Lehrer sehr stark unterschiedlich sein (auch qualitativ).
- Offener Unterricht mit Methode ist auch der Versuch, Offenem Unterricht einen methodisch-didaktischen Inhalt zu verleihen
- Ich halte das Konzept Falko Peschels nicht für allgemeintauglich und schwer handhabbar für andere Lehrer. Die Durchführung seiner weitgehend sehr intuitiven Unterrichtsmethoden gelingen dem anderen Lehrer vielleicht ganz anders und möglicherweise nicht so erfolgreich. Es ist ein sehr individuelles Konzept und eng mit der Persönlichkeit des Erstellers verknüpft. Es erfordert einen extrem hohen Grad an Lehrerkompetenz. Es ist fraglich, ob es von anderen Lehrern problemlos übernommen werden kann.
- Jede Lerngruppe ist anders. Es ist fraglich, ob das Konzept in andere Lerngruppen (mit gänzlich anderen Eigenschaften) übertragen werden kann.
- Offener Unterricht mit Methode soll auch den Offenen Unterricht auch für andere Lehrkräfte handhabbar und transparenter machen. Dabei sollen Lehrer jedoch nicht das Konzept wie vorgestellt klonen, sondern ihren eigenen Weg zum Offenen Lernen entwickeln dürfen. Dafür erhalten sie Kernkompetenzen als Rahmen:
- Die Entwicklung von eigenen (offenen) Lernarrangements für die individuelle Lerngruppe
- (natürlich) die Erstellung und den Einsatz von (offenen) Wochenplänen
- Umgang mit Kompetenzen, Kompetenzanalysen der Kinder
- vielfältige diagnostische Kompetenzen, und die Kompetenz der Begleitung des Kindes
- und natürlich die grundsolide Wissensbasis über die Bedeutung und den Wert vom Offenen, selbstständigen, individualisierten und interessensbezogenen Lernen. Denn offener Unterricht hat immer noch einen idealistischen Charakter und erfordert gewisse Überzeugungen seitens der Lehrkraft, die ihn inszenieren will.

Daher bezeichne ich die neue Lehrerrolle auch gerne als „Lerndesigner“

Damit möchte ich diesen Thread starten und hoffe auf eine lebhafte Diskussion!

Beste Grüße
Michael Kellner

Dieser Beitrag wurde schon 1 mal editiert, zum letzten mal von Michael Kellner am 13.02.2009 18:45.

12.02.2009 23:30 Michael Kellner ist offline Email an Michael Kellner senden Homepage von Michael Kellner Beiträge von Michael Kellner suchen Nehmen Sie Michael Kellner in Ihre Freundesliste auf
Juergen
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Hi Michael Kellner,

vielen Dank für die ausfühliche Darstellung des Ansatzes Offener Unterricht mit Methode und die Gemeinsamkeiten und unterschiede zu dem Ansatz Peschels: Offener Unterricht.

Es geht auch nicht um eine Konkurrenz, sondern um eine Diskussion, worin denn die Unterschiede bestehen. Eine Bewertung mag jeder Leser selbst vornehmen - zumal ja jeder seinen eigenen Weg finden muss. Und da kann ein deutlicher Aufweis von Gemeinsamkeiten und Unterschieden eher Hilfreich sein.

Da ich das Konzept Offener Unterricht mit Methode jedoch nur von Ihrer Webseite her kenne und nicht aus der Praxis, kann ich mich auch immer nur auf die Texte Ihrer Webseite beziehen. Vielleicht wird durch meine Auffassung der Texte und Ihre Korrektur dazu klarer, was gemeint und wie es zu verstehen ist.

Peschels Unterricht kenne ich leider auch nicht aus eigenem Erleben, allerdings komme ich aus der Freinet-Pädagogik - dort war ich in der Fortbildung tätig und betreibe die Webseite http://freient.paed.com - und die Grundschule Harmonie, an der ja Falko Peschel Konrektor war.
Daher wähle ich meinen eigenen Zugang zum Thema: Die Bestimmungsraster. Diese beschreiben ja fünf Dimensionen der Öffnung von Unterricht und lassen für jede Dimension eine Einstufung in fünf Stufen zu.

Die Auseinandersetzung hat also ein doppeltes Handycap: 1. ist nicht klar, ob die Texte auch wirklich den offenen Unterricht mit Methode beschreiben, weil ganz grundsätzlich ja immer nur Teile des ganzen Konzepts aufgeschrieben werden können. Und in diesem Text steckt ja noch eine ganze Menge Hintergrund, der aber nicht den Weg aufs Papier findet. und 2. ist nicht klar, ob ich den aufgeschriebenen Text richtig verstehe, oder nicht nur ein Zerrbild wahrnehme.

So ist also die Rückmeldung von Michael Kellner dringend notwendig um ein genaueres Bild von den Gemeinsamkeiten und Unterschieden zu erhalten.

Ich formuliere bewusst in vielen Fällen zugespitzt, um deutlich zu machen, was ich anders sehe - in der Hoffnung dann korrigiert zu werden, wo ich falsch liege.

Jede Sichtweise ist eine Konstruktion, eine wertfreie Beschreibung einer objektiven Realität - und kann daher auch fehlerhaft sein!.

Doch zunächst zu Ihrem Text.

Sie schreiben: Ansatz Falko Peschel: (Man entlässt die Kinder von Anfang an in eine vollwertige 3-Stufen-Öffnung und konfrontiert sie mit der Vielfalt der schulischen Lerninhalte. Am besten lernen die Kinder, wenn man sie einfach machen lässt.

Sorry, aber da möchte ich schon Widerspruch einlegen. Die Kinder werden nicht entlassen, sondern sie kommen und nehmen ihre neue Schul-Klassenumgebung in Besitz. Falko Peschel hat nicht drei Stufen sondern fünf und die Kinder werden nicht mit der Vielfalt der schulischen Lerninhalte konfrontiert, sondern die LehrerIn hört erst einmal zu. In seiner Dokumentation schildert Peschel den ersten Unterrichtsalltag als Tag der Kinder.

"Die Kinder gucken sich um und es entstehen vielfältige Aktionen: ein paar Kinder sehen sich Bücher an, viele Kinder holen sich Stifte und große Papiere und fangen an zu malen, das ehemalige Schulkindergartenkind Steven fragt, ob er Papierflieger bauen dürfe. Im Tagebuch des Lehrers steht weiterhin: '... kein Überblick, der Lehrer und die Lehrerinnen sitzen fasziniert/nichtsnutzig auf den Tischen, die meiste Arbeit erfolgt auf dem Boden, nur Bettina sucht sich einen Platz.' Später wird ein Treffen im Kreis einberufen, bei dem Josefina ihren Geburtstag feiert. Der Lehrer fragt, ob es schon Hausaufgaben geben soll. Die Kinder stimmen zum ersten Mal ab und sind dafür." (Peschel II, S. 538)

Das lässt sich beim besten Willen nicht als Konfrontation mit schulischen Lerninhalten interpretieren. Es gibt von Seiten Peschels noch nicht einmal eine Ansprache oder Erklärungen. Seine Aktivität beschränkt sich darauf, den Kreis einzuberufen und nach der Geburtstagsfeier zu fragen, ob es denn Hausaufgaben geben soll. Die Kinder stimmen ab und entscheiden sich so dafür.

Das ist natürlich eine Vorgabe in Richtung gelebte Demokratie: Die Kinder erleben schon am ersten Tag, dass sie bestimmen können, was geschieht.
Genau das wiederholt sich am zweiten Tag, als die Computer stark in Beschlag genommen werden: Die Kinder klären, wie das mit den Computern geregelt werden soll. Es werden verschiedene Vorschläge gemacht und nach mehreren Abstimmungen (!) kristallisiert sich eine Zeit heraus.

"Dann fragt Pia, wann es denn richtig (mit dem Unterricht) losgeht. Sie will Schreiben lernen. Alle Kinder gehen aus dem Kreis und versuchen zu schreiben. Ein paar sind sich nicht unsicher, ob sie wirklich schreiben können, andere schreiben erst einmal Buchstaben bzw. Wörter ab. Steven kann mit Hilfe der Buchstabentabelle schreiben." (Peschel II, S. 538f)

Also auch hier wieder keine Konfrontation, sondern die Kinder bestimmen das Geschehen. Keine Aufforderung der LehrerInnen. Der Vorschlag wird von Pia aufgenommen und von allen umgesetzt - jeder auf seinem Niveau, jeder, wie er dieses Vorhaben angehen will.

Sie schreiben: Offener Unterricht ist kein einheitliches Pädagogisches Konzept. Das war es nie und das ist es bis heute auch nicht (vgl. Eiko Jürgens). Es ist vielmehr eine pädagogische Grundüberzeugung, ein Schlagwort, ein offener Begriff. Es gibt keine klare didaktisch-inhaltliche Definition.

Dem möchte ich vehement widersprechen. Eiko Jürgens hat in seiner Darstellung offenen Unterrichts vom Konzept Peschels gar keine Notiz genommen und bezieht sich auf einen Diskussionsstand klar vor Falko Peschel.

Ich bin der Auffassung, dass mit der Dissertation von Peschel zwar kein einheitliches Konzept vorliegt, aber immerhin die Möglicheit jeden beliebigen offenen Unterricht an Hand der Bestimmungsraster in seiner Offenheit fast Exakt zu bestimmen. Insofern hat hier ein Paradigmenwechsel stattgefunden. Wer von offenem Unterricht redet kann auch immer sagen, wo er wie weit öffnet.

Damit kann der Begriff 'offener Unterricht' zwar weiterhin für jede beliebige Form der Öffnung benutzt werden, muss sich aber gefallen lassen, an den Bestimmungsrastern Peschels eingeordnet zu werden. Eiko Jürgens geht also von einem veralteten Stand der wissenschaftlichen Diskussion aus und verheddert sich auch mehrfach in Formulierungen, mit denen ich mich ausführlich in meiner Rezension auseinandergesetzt habe.

Das es keine didaktisch klare Definition gibt, liegt u.a. daran, dass das Verständnis von Didaktik und Offener Unterricht im Sinne von Peschel sich erheblich widersprechen - zumindest dann, wenn man berücksichtigt, dass fast alle Weiterentwicklungen der allgemeinen Didaktik so gut wie keinen Einfluß in die Fachdidaktiken gefunden haben. Damit ist aber die Frage: Was wann ein Schüler lernen soll geklärt und es geht nur noch um die Frage, wie das die LehrerIn organisiert.

Der Offene Unterricht Peschels schließt genau das aber aus. Dort entscheiden die Schüler, über das was sie wann und wie lernen wollen. Daher müsste eine didaktisch klare Definition die Quadratur des Kreises beschreiben.
Wie gesagt: Es liegt ein Paradigmenwechsel vor: Eine Beschreibung des Unterrichts im Sinne Peschels in Kategorien liefert immer ein falsches Ergebnis. Das zeigt sich besonders deutlich dann, wenn der kurzfristige Erfolg von geschlossenen und offenen Unterrichtsformen in Bezug auf Wissen miteinander verglichen wird. Äpfel sind am Maßstab der Birnen immer die schlechteren Äpfel. Über die vier Grundschuljahre - das ist in der Diss nachzulesen und eine Reihe von wissenschaftlichen Untersuchungen geben dem auch recht - ist der Offene Unterricht im Sinne Peschels eindeutig im Vorteil.

Sie schreiben: Ich halte das Konzept Falko Peschels nicht für allgemeintauglich und schwer handhabbar für andere Lehrer. Die Durchführung seiner weitgehend sehr intuitiven Unterrichtsmethoden gelingen dem anderen Lehrer vielleicht ganz anders und möglicherweise nicht so erfolgreich. Es ist ein sehr individuelles Konzept und eng mit der Persönlichkeit des Erstellers verknüpft. Es erfordert einen extrem hohen Grad an Lehrerkompetenz. Es ist fraglich, ob es von anderen Lehrern problemlos übernommen werden kann.

Sie schlagen hier in die gleiche Kerbe, in die auch Fritz Bohnsack schlägt, wenn er vermutet, dass Peschel so stark engagiert ist, dass dies von einem 'Durchschnittslehrer' nicht erwarten werden könne.

Ich möchte dagegen halten, es ist eben nicht die intuitive Unterrichtsmehtode oder das Überragende Engagement, das besonders mit der Person Falko Peschel verknüpft ist. Natürlich kann es nicht einfach problemlos übernommen werden, so wie man etwa ein anderes Auto übernimmt.

Fortsetzung folgt...

__________________
Jürgen Göndör
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15.02.2009 11:50 Juergen ist offline Email an Juergen senden Homepage von Juergen Beiträge von Juergen suchen Nehmen Sie Juergen in Ihre Freundesliste auf
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... Fortsetzung

Das Lehrerhandeln unterliegt einer intensiven Ausbildung, in der die Studenten darauf trainiert werden didaktisch und methodisch zu handeln. Die zweite Phase der Lehrerausbildung fährt im gleichen Sinne fort. Es ist also gar nicht verwunderlich, dass Lehrer, die ja in einem Offenen Unterricht ganz anders handeln müssen, dieses 'vielleicht nicht so erfolgreich' auf Anhieb können. Das kann ich aus meiner eigenen Erfahrung bestätigen, als ich versuchte Freinet-Pädagogik umzusetzen. Auch Schüler sind gewohnt, dass der Lehrer sagt, was zu tun ist und es nicht zufällig so, dass sie aufhören zu arbeiten, wenn der Lehrer das Klassenzimmer verlässt - während Schüler aus 'Freien Alternativen Schulen', die gewohnt sind selbstbestimmt zu arbeiten in ihrer Tätigkeit fortfahren. Schüler von Summerhill benötigen oft mehrere Jahre, bis sie den Unterschied zwischen traditionellen Schulen und Summerhill richtig verstanden haben. Selbst ein Kollege, der von der Grundschule harmonie nach Summerhill wechselte schrieb mir, dass der Unterricht dort für ihn gewöhnungsbedürftig gewesen sei.

Es müsste also schon auch das andere know how vermittelt werden, wie man denn in der Situation des Offenen Unterrichts als Lehrer reagiert, worauf es ankommt. Denn hilfreich handeln im traditionellen Unterricht weicht hier einer Hilfe zur Selbsthilfe, einem Fragen in Form des Aktiven Zuhörens. Die Frage: Wie spät ist es? Wird im herkömmlichen Unterricht nach einer richtigen Antwort mit: "Sehr gut, Fritz!" beantwortet - solche Fragen kommen im Offenen Unterricht aber gar nicht vor.

Sie schreiben: Jede Lerngruppe ist anders. Es ist fraglich, ob das Konzept in andere Lerngruppen (mit gänzlich anderen Eigenschaften) übertragen werden kann.

Natürlich ist jede Lerngruppe anders, das ist im traditionellen Unterricht auch so. Und trotzdem wird dieses traditionelle Konzept - durchaus mit fraglichem Erfolg - auf jede Lerngruppe übertragen. Genau daraus resultieren aber auch die Schwierigkeiten der gschlossenen Konzepte, weil diejenigen, die mit dieser Methode nicht klar kommen, ausselektiert werden.

Offener Unterricht nach Peschel wird derzeit in mehreren Schulen angewendet - gar nicht als enges Korsett, sondern sehr kreativ, weil es eben tatsächlich auf die Kinder Rücksicht nimmt, in dem es ihnen überlässt, wie sich die Lernzeit in der Schule gestaltet.

Es geht auch gar nicht darum, den Unterricht von Peschel zu klonen, sondern den eigenen Weg der Klasse und der LehrerIn zu finden, die Öffnung in allen Dimensionen umzusetzen. Offener Unterricht ist eben kein Konzept, was die LehrerIn ihren SchülerInnen vorsetzt und diese zu akzeptieren haben, sondern eines, was sie Schüler mit ihrer LehrerIn gemeinsam entwickeln.

Am ersten Schultag gab es keine Erklärungen, wie der Hase läuft, sondern Peschel und seine Begleiterin saßen am ersten Tag herum, schauten zu und beobachteten. Wenige Tage später kam es zu den ersten Regelungen - über die Zeiten, wie lange darf jeder an den PC. Die Lerngruppe mit ihren Eigenschaften bestimmt also das Geschehen. Das Konzept Peschels zu 'klonen' würde also darin bestehen, den Kindern die Freiheit einzuräumen, die Zeit in der Schule nach ihren Bedürfnissen zu gestalten.

Sie schreiben: Die Entwicklung von eigenen (offenen) Lernarrangements für die individuelle Lerngruppe( (natürlich) die Erstellung und den Einsatz von (offenen) Wochenplänen - Umgang mit Kompetenzen, Kompetenzanalysen der Kinder ...

Auch hier liegt ein vollkommenes Missverständnis des Ansatzes von Peschel vor: Es werden von der LehrerIn gerade nicht Lernarrangements für die Lerngruppe entwickelt, es wird gerade kein offener Wochenplan eingesetzt, der Pflichtaufgaben enthält. Die Kinder können vielmehr jederzeit ihre 'Arbeit wechseln'.

Sie schreiben weiter: ...vielfältige diagnostische Kompetenzen, und die Kompetenz der Begleitung des Kindes...

Nur bei den Kompetenzen zur Begleitung des Kindes gibt es Übereinstimmungen, denn die muss eine LehrerIn nach dem Konzeptes von Peschel tatsächlich und unbedingt haben. Einschränkend ist der Zusammenhang mit den vielfältigen diagnostischen Kompetenzen. Mir ist nicht klar, was damit gemeint ist. Im Sinne des Offenen Unterrichts müsste gemeint sein: Kompetenzen der LehrerIn, mit denen sie Kinder so unterstützt, dass diese ihre eigenen Lernvorhaben verwirklichen können. Keinesfalls jedoch die Kompetenz die Kinder in bestimmte Richtungen zu lenken.

und beenden den Satz: ...und natürlich die grundsolide Wissensbasis über die Bedeutung und den Wert vom Offenen, selbstständigen, individualisierten und interessensbezogenen Lernen. Denn offener Unterricht hat immer noch einen idealistischen Charakter und erfordert gewisse Überzeugungen seitens der Lehrkraft, die ihn inszenieren will.

Hier gibt es wieder vollkommene Übereinstimmung - zumindest für den ersten Satz. Der zweite Satz muss zurückgewiesen werden, weil Offener Unterricht keinen idealistischen Charakter hat - er ist an mehreren Schulen, entgegen allen anderslautenden Erklärungen - harte und erfolgreiche - aber andere Realität.

Außerdem erfordert jeder Unterricht eine gewisse Überzeugung seitens der Lehrkraft, die ihn inszenieren will - nur sind diese Überzeugungen halt grundverschieden.

Die neue Lehrerrolle kann im Sinne des Offenen Unterrichts nicht die des 'Lerndesigners' sein - das sind die Kinder selbst. Die neue Rolle des Lehrers ist vielmehr die, die Carl R Rogers schon vor mehr als 35 Jahren in seinem Buch: 'Lernen in Freiheit' beschrieben hat: Die des Facilitators, die des Förderers des Lernens. Er verstand sich genau nicht als Lerndesigner, sondern als ein Lernbegleiter, der die Lernenden auf dem Weg ihres persönlichen Wachstums unterstützt und stärkt.

__________________
Jürgen Göndör
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15.02.2009 11:52 Juergen ist offline Email an Juergen senden Homepage von Juergen Beiträge von Juergen suchen Nehmen Sie Juergen in Ihre Freundesliste auf
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etwas wichtiges ergänzt! Zitatantwort auf diesen Beitrag erstellen Diesen Beitrag editieren/löschen Diesen Beitrag einem Moderator melden       IP Information Zum Anfang der Seite springen

Ich möchte noch darauf hinweisen, daß ich in der Antwort zwei Dinge ergänzt habe. Dieses ist mir besonders wichtig:

"Die Auseinandersetzung hat also ein doppeltes Handycap: 1. ist nicht klar, ob die Texte auch wirklich den offenen Unterricht mit Methode beschreiben, weil ganz grundsätzlich ja immer nur Teile des ganzen Konzepts aufgeschrieben werden können. Und in diesem Text steckt ja noch eine ganze Menge Hintergrund, der aber nicht den Weg aufs Papier findet. und 2. ist nicht klar, ob ich den aufgeschriebenen Text richtig verstehe, oder nicht nur ein Zerrbild wahrnehme.

So ist also die Rückmeldung von Michael Kellner dringend notwendig um ein genaueres Bild von den Gemeinsamkeiten und Unterschieden zu erhalten.

Ich formuliere bewusst in vielen Fällen zugespitzt, um deutlich zu machen, was ich anders sehe - in der Hoffnung dann korrigiert zu werden, wo ich falsch liege.

Jede Sichtweise ist eine Konstruktion, eine wertfreie Beschreibung einer objektiven Realität - und kann daher auch fehlerhaft sein!"

Die zweite Ergänzung betrifft den Wochenplan - der kursive Teil wurde ergänzt.:

"Auch hier liegt ein vollkommenes Missverständnis des Ansatzes von Peschel vor: Es werden von der LehrerIn gerade nicht Lernarrangements für die Lerngruppe entwickelt, es wird gerade kein offener Wochenplan eingesetzt, der Pflichtaufgaben enthält. Die Kinder können vielmehr jederzeit ihre 'Arbeit wechseln'."

Liebe Grüße

Jürgen

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16.02.2009 17:08 Juergen ist offline Email an Juergen senden Homepage von Juergen Beiträge von Juergen suchen Nehmen Sie Juergen in Ihre Freundesliste auf
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Sie schrieben:
Falko Peschel hat nicht drei Stufen sondern fünf…

Entschuldigung, dass ich Sie jetzt über Ihren fundamentalen Denkfehler aufklären muss.
Falko Peschel berschreibt 3 Sufen der Öffnung (methodisch, inhaltlich, sozial-integrativ) und eine Vorstufe (organisatorische Öffnung). Dies können Sie auf der Internetpräsenz nachlesen.
Weiterhin beschreibt Falko Peschel richtig 5 Dimensionen der Öffnung, die Sie dann eins zu eins in Stufen umwandeln. Hier liegt der Denkfehler versteckt. Zwischen Stufen und Dimensionen gibt es einen entscheidenden Unterschied: Dimensionen beschreiben keinen potentiell zeitlichen Ablauf, sondern sind unabhängig voneinander.
So sollte die Dimension der Persönlichen Öffnung doch in allen Öffnungsstufen und –vorstufen enthalten sein.
Oder möchten sie wirklich, dass man es so versteht, dass die persönliche Öffnung des Lehrers gegenüber den Schülern erst in Stufe 5 (also als letztes) vollzogen wird?
Daher taucht die Persönliche Öffnung in Peschels Stufenmodell nicht auf und das ist auch richtig so!
Daher bleibe ich (mit Falko Peschel im Rücken) bei meinen drei Öffnungsstufen.

Sie schrieben:
Das lässt sich beim besten Willen nicht als Konfrontation mit schulischen Lerninhalten interpretieren. Es gibt von Seiten Peschels noch nicht einmal eine Ansprache oder Erklärungen. Seine Aktivität beschränkt sich darauf, den Kreis einzuberufen und nach der Geburtstagsfeier zu fragen, ob es denn Hausaufgaben geben soll.

Das meinte ich auch eigentlich genau so. Ich habe mich etwas ungenau ausgedrückt.
Herr Peschel lässt die Kinder von Anfang an komplett frei und machen was sie wollen, auch wenn dies zunächst nichts mit schulischen Lerninhalten zu tun hat. Und so geht es in seinem „Konzept“ im Großen und Ganzen auch weiter. Im Konzept Offener Unterricht mit Methode arbeitet man auf solch eine Offenheit schrittweise hin.
An dieser Stelle möchte ich erwähnen, dass ich den Begriff „Konzept“ für Peschels Aufzeichnungen schon immer kritisch gesehen habe. Ich sehe seine Bücher viel mehr als sehr gut gemachte und akribisch dargestellte Aktionsforschung seines Unterrichts an. Es wird in weiten Teilen beschrieben wie sich diese spezielle Gruppe von Kindern in der totalen Offenheit entwicket. Es hat dazu noch einen Experiment-Charakter, da nicht vorhergesagt werden kann, wie sich die Kinder entwickeln werden und dies auch in anderen Lerngruppen und mit anderen Lehrpersonen gänzlich unterschiedlich ausfallen kann.
Dies birgt große Gefahren in sich. Allein daher sollte das Konzept nicht als allgemeingültiges Konzept für den Offenen Unterricht verstanden werden, was leider oftmals der Fall ist. Die theoretische Grundlagen (Öffnungsstufen etc.) sind dabei natürlich auszuschließen und genießen absolute gültigkeit. Ich beziehe mich alleinig auf die Unterrichtspraxis.
Mein Ziel mit dem Konzept Offener Unterricht mit Methode “ ist, Offenen Unterricht handhabbar und praktikabel für alle zu machen, also ein wirkliches Konzept bereitzustellen. Wäre es nicht schön, wenn man mit dem Konzept der Offenheit möglichst viele Klassenzimmer erreichen würde (und dies dort dann auch zuverlässig funktioniert)?
Das Konzept ist weiterhin eine Fusion aus Offenem Unterricht/Individualisiertem Lernen/Methodenlernen. Gerade unter dem Gesichtspunkt des Individualisierten Lernens lässt Offener Unterricht mit Methode sogar eine komplette Unterrichtschließung für einzelne Kinder zu, wenn sich herausstellt, dass das Kind überfordert ist. Offene Strukturen sind nicht für alle Kinder gut! Es gibt Kinder, z.B. starke ADHS-Fälle, für die eine komplette Öffnung eine totale Überforderung darstellt, ja sogar ein Hindernis ist. Hier spreche ich aus vielfältiger Unterrichtserfahrung und daher ist die Existenz solcher Kinder für mich ein undiskutierbarer Fakt. Gerade solche Kinder müssen langsam und schrittweise zur Offenheit geführt werden.
„Wenn Offenheit zum Hindernis wird…“
Nichts desto Trotz ist das Konzept ein offenes Konzept, dass sich aber ganz individuell auf die einzelnen Potentiale der Kinder einstellt. So etwas bietet das so genannte Konzept Peschels nicht, zumindest nich in diesem Maße. Die intrinsische Differenzierung, die automatisch im Offenen Unterricht enthalten ist, reicht nicht immer für alle Kinder aus. Daher ist Offener Unterricht mit Methode noch mehr an den Bedürfnissen des Kindes orientiert als das Konzept Peschels, welches den radikalen Idealismus der Bewegung „Offener Unterricht“ (welcher geschichtlich gewachsen ist) immer noch sehr ernst nimmt und diesen über die Bedürfnisse des Kindes stellt. Offener Unterricht Total, ob Kind will bzw. kann oder nicht.
(So meine Meinung)
Wo bleiben die Kinder die überhaupt nicht offen lernen wollen oder können?
Nach diesen Ausführungen möchte ich noch einmal betonen, dass ich absoluter Befürworter von Offenem Unterricht bin. Ich gestehe jedoch auch Grenzen ein. Ich befürworte auch einen Unterricht a la Peschel, wenn er denn gut umgesetzt wird (was überaus stark von Kompetenz und Persönlichkeit der jeweiligen Lehrkraft und des Geeignet Seins der Lerngruppe abhängt).

Sie schrieben:
Ich bin der Auffassung, dass mit der Dissertation von Peschel zwar kein einheitliches Konzept vorliegt, aber immerhin die Möglicheit jeden beliebigen offenen Unterricht an Hand der Bestimmungsraster in seiner Offenheit fast Exakt zu bestimmen. Insofern hat hier ein Paradigmenwechsel stattgefunden. Wer von offenem Unterricht redet kann auch immer sagen, wo er wie weit öffnet.

Da gebe ich Ihnen Recht! Die theoretischen Grundlagen (Öffnungsstufen etc.) haben den Offenen Unterricht tatsächlich gut defininierbar gemacht. Aber hatte Hans Brügelmann diese Öffnungsstufen nicht schon vor Falko Peschel formuliert???
Was die Unterrichtspraxis angeht habe ich mich ja bereits geäußert.

Sie schrieben:
Es müsste also schon auch das andere know how vermittelt werden, wie man denn in der Situation des Offenen Unterrichts als Lehrer reagiert, worauf es ankommt.

Da stimme ich Ihnen voll und ganz zu. Leider sieht die Realität in der Lehrerausbildung ganz anders aus und daran wird sich auch in kurzer Zeit nichts ändern. Bis es soweit ist, muss das „Konzept“ Peschels mir Vorsicht betrachtet werden.
Ich versuche mich in meinem Konzept an der Realität der aktuellen Situation zu orientieren.

Sie schrieben:
Auch hier liegt ein vollkommenes Missverständnis des Ansatzes von Peschel vor: Es werden von der LehrerIn gerade nicht Lernarrangements für die Lerngruppe entwickelt, es wird gerade kein offener Wochenplan eingesetzt, der Pflichtaufgaben enthält. Die Kinder können vielmehr jederzeit ihre 'Arbeit wechseln'.

Damit beschreibe ich das eigene Konzept Offener Unterricht mit Methode und nicht das Konzept Peschels. Allerdings können die Kinder im Offenen Wochenplan genau wie bei Peschel auch jederzeit ihre Aktivität wechseln und Pflichtaufgaben existieren nur am Rande und auch nur, wenn dies unbedingt erforderlich ist.
Ich habe den Eindruck, dass Sie das Konzept in manchen Teilen noch nicht richtig verstehen. Aber dies ist auch nicht einfach mit den Erklärungen auf der Hompege als alleinige Grundlage. Am besten ist immer, den Unterricht zu beobachten. Kommen Sie doch mal vorbei. Sie sind herzlich eingeladen!

Sie schrieben:
Die neue Lehrerrolle kann im Sinne des Offenen Unterrichts nicht die des 'Lerndesigners' sein - das sind die Kinder selbst. Die neue Rolle des Lehrers ist vielmehr die, die Carl R Rogers schon vor mehr als 35 Jahren in seinem Buch: 'Lernen in Freiheit' beschrieben hat: Die des Facilitators, die des Förderers des Lernens. Er verstand sich genau nicht als Lerndesigner, sondern als ein Lernbegleiter, der die Lernenden auf dem Weg ihres persönlichen Wachstums unterstützt und stärk.

Die Beschreibung der Lehrerrolle als Lerndesigner bezieht sich nur auf die Entwicklung offener Lernarrangements. Dies hat tatsächlich einen starken Designcharakter. Auch wenn diese Arrangements von der Lehrkraft vorab designt werden enthalten sie für die Kinder eine vollwertige 3-Stufen-Öffnung.
Bei der späteren Durchführung in der Praxis ist die Lehrkraft natürlich wieder in der Rolle des Lernbegleiters und die Schüler werden zu Lerndesignern (im Laufe der Schuljahre und Lernarrangements immer stärker).

Man kann sagen, dass sich Offener Unterricht mit Methode in verschiedene Lernarrangements aufteilt, die im Laufe der Zeit eine immer umfangreichere Öffnung bzw. Offenheit realisieren.

Mit offenen Grüßen aus Hamburg
Michael Kellner

Dieser Beitrag wurde schon 3 mal editiert, zum letzten mal von mk-zwo am 28.02.2009 19:26.

28.02.2009 08:37 mk-zwo ist offline Beiträge von mk-zwo suchen Nehmen Sie mk-zwo in Ihre Freundesliste auf
Juergen
Administrator


Dabei seit: 08.11.2003
Beiträge: 312

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Hi Michael Kellner,

ich weiß nicht, ob die Unterscheidung von Stufen und Dimensionen so wichtig ist, das Sie sie für fundamental erklären.

Aber zur Sache:

Auf der Seite 54/55 sind fünf Dimensionen genannt: organisatorische, methodische, inhaltliche, soziale und persönliche Offenheit. Jede dieser Dimensionen ist in sich abgestuft in die Stufen 0 - 6, von denen jede Stufe einen von der vorherigen Stufe größeren Grad der Offenheit anzeigt.

Meine Auffassung: Die Dimensionen sind zwar durchnummeriert, das bedeutet aber sehr wahrscheinlich keine Reihenfolge. Wären es Koordinaten, wäre deutlich, daß die Dimensionen gleichberechtigt sind aber unterschiedliche Werte (Null bis fünf) annehmen können. Die persönliche Offenheit beschreibt ehr eine Haltung des Lehrers, während die organisatorische oder methodische Offenheit konkrete Bedingungen der Aufgabenstellungen meinen.

Die Kritik: "Oder möchten sie wirklich, dass man es so versteht, dass die persönliche Öffnung des Lehrers gegenüber den Schülern erst in Stufe 5 (also als letztes) vollzogen wird?(Daher taucht die Persönliche Öffnung in Peschels Stufenmodell nicht auf und das ist auch richtig so!" kann ich nicht verstehen. Woraus schließen Sie das? Sie können jede der Dimensionen an den Unterricht anlegen und damit das Lehrerhandeln der Stufe zuordnen, die sie erfüllt.

Zum Beispiel organisatorisch beschreiben Sie für den OU mit Methode (Primär auf eigener Arbeitsorganisation der Kinder beruhender Unterricht):

"Das Lehrerdenken muss sich diesbezüglich umorientieren, vom “Ich unterrichte einen Klassenverband“ zum “Ich unterrichte fünfundzwanzig einzelne und gänzlich unterschiedliche Individuen, von denen jedes einzelne unterschiedliche Stärken und Interessen aufweist“.

Daraus entnehme ich, dass der Lehrer nach wie vor unterrichtet. Die Kinder folgen mithin dem Unterricht des Lehrers. Oder sehe ich das falsch? Peschel tut das dezidiert nicht - er unterrichtet n i c h t, gibt den Kindern keine Arbeitsorganisation vor.

Zu dem was Sie auf der Webseite zur Interessenorientierung schreiben möchte ich hier folgendes anmerken:

Sie schreiben: Wird interessensbezogenes und daher intrinsisch motiviertes Lernen kombiniert mit Lernmethoden, die zum eigenaktiv-forschenden und problemlösenden Arbeiten auffordern, ...

Ich frage: Wer und wie wird interessenbezogenes, intrinsisch motiviertes Lernen mit anderen Lernmethoden kombiniert? Was sind überhaupt Lernmethoden Ihrer Auffassung nach? Ist Lernen nicht ein innerpsychischer Vorgang der wissenschaftlich bisher überhaupt nicht erklärt werden kann. Sicherlich kann aus dem Verhalten des Lernenden geschlossen werden, daß er gelernt hat oder nicht - aber wie das vor sich geht, dazu legt selbst Manfred Spitzer keine gesicherte Theorie vor, außer der, das das Gehirn nichts lieber tut und nichts besser kann. Er kommt aber zu dem Schluss, das beim gegenwärtigen Stand man das Gehirn lieber machen läßt, als im vorzuschreiben, wie es arbeiten soll.

Unter dem Stichwort Berechenbarkeit möchte jedoch zunächst anmerken, daß der OU Peschels nicht jeden Tag mit methodisch-didaktischen Überraschungen aufwartet - im Gegenteil, in dieser Hinsicht ist er höchst langweilig: Er wartet nämlich mit gar keinen methodisch-didaktischen Überraschungen auf. Er verweigert sich hier geradezu.

Im gleichen Abschnitt fahren sie fort: Um das Lernen für die Kinder transparent zu gestalten, bedarf es eines Lernsettings, das von Grund auf gleichbleibend ritualisiert und strukturiert ist, aber dennoch eine gewisse Spannbreite an Methodenvielfalt bereit hält. Mit einiger Zeit und etwas Erfahrung kann das Kind auf diese Weise Strukturen erkennen und eine entspannte Verhaltenssicherheit und auch ein auf den Unterricht bezogenes Selbstvertrauen entwickeln.

Man kann auch das Vorgehen von Peschel als Lernsetting auffassen, in dem es Rituale und Strukturen gibt: z.B. Das Entscheiden der Kinder im gemeinsamen Kreis.
Was ich aber nicht mit dem Offenen Unterricht von Peschel übereinbringen kann, ist die 'gewisse Spannbreite an Methodenvielfalt', die der OU mit Methode bereithält. Bei Peschel ist das methodische Vorgehen in der Hand der Kinder. Es werden keine Methoden und auch kein Methodenwechsel vorgegeben. Eine Methodenvielfalt ist nicht notwendig. Wer hält sie vor, wer bestimmt den Wechsel, welche Methoden sind das?

Im gleichen Abschnitt fahren Sie fort: Neben dem Unterricht soll auch das Lehrerverhalten berechenbar sein, insbesondere im Bereich der Sanktionierung. Eine spontane und unberechenbare Form der Sanktionierung kann die Kinder verunsichern und ängstigen. Kindern soll ein klarer Einblick in eine einheitliche Sanktionierungskonzeption ermöglicht werden.

Wenn ich Peschel richtig verstanden habe, gibt es bei ihm k e i n e Sanktionierung durch den Lehrer oder durch Noten. Die Kinder regeln das absolut selbst. Ob es um die Zeiten am PC geht, oder um Streitigkeiten mit anderen Schülern - Peschel ist nicht der Lehrer, der Machtworte spricht oder durch Vorgaben regelt. Er regt an, etwas zu regeln, z.B. die Zeiten, die Kinder am Stück einen PC benutzen dürfen. Die Kinder diskutieren und einigen sich auf 30 Minuten.

Insofern gibt es kein Sanktionenkonzept, Regeln zum Zusammenleben und -lernen werden von den Kindern selbst aufgestellt und wieder verworfen. Es ist also bei Peschel gar nicht notwendig ein klares Sanktionenkonzept zu erstellen. Es kann also die Kinder auch nichts verunsichern. Wer erstellt denn dieses Konzept, wer setzt es durch? Wer verhängt die Sanktionen und wie wehren sich Kinder dagegen - oder gibt es nur die Unterordnung? Welchen Einfluß haben Kinder auf dieses Konzept?

Hier möchte ich die Besprechung Ihrer Webseite erst einmal stoppen und Ihre Antworten abwarten.

Liebe Grüße

Jürgen

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Jürgen Göndör
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02.03.2009 00:27 Juergen ist offline Email an Juergen senden Homepage von Juergen Beiträge von Juergen suchen Nehmen Sie Juergen in Ihre Freundesliste auf
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Zu Ihrer Antwort:

Sie schreiben: Herr Peschel lässt die Kinder von Anfang an komplett frei und machen was sie wollen, auch wenn dies zunächst nichts mit schulischen Lerninhalten zu tun hat. Und so geht es in seinem „Konzept“ im Großen und Ganzen auch weiter. Im Konzept Offener Unterricht mit Methode arbeitet man auf solch eine Offenheit schrittweise hin.

Ich frage: Woher nehmen sie die Aussage, daß das was die Kinder bei Peschel tun, zunächst nichts mit schulischen Lerninhalten zu tun hat?

Wenn ich richtig lese, dann machen sich die Kinder am ersten Tag mit dem Klassenraum vertraut und stimmen ab, das es Hausaufgaben gibt.[Peschel, Band II, S. 538f] Ich bezweifle, daß an irgendeiner Schule bereits am ersten Tag den Kindern eine demokratische Entscheidung zugemutet wird.

Am zweiten Tag gibt es eine Diskussion über die PC-Zeiten für die Kinder und diese einigen sich auf 30 Minuten. Dann gehen sie aus dem Kreis und versuchen zu schreiben. Auch am dritten Tag werden wieder Buchstaben und Zahlen geschrieben. Es werden viele Dinge besprochen, die das Aufräumen der Materialien und das Schreiben betreffen.

Ich kann nicht erkennen, warum das keine schulischen Inhalte sein sollen.

Ich frage: Ist es nicht so, daß Sie mit einem vorgefertigten Maß herangehen: So und so sieht das aus, muß das aussehen - und zu dem Schluss kommen: Das geht bei Peschel anders, also kein schulischer Lerninhalt?

Wenn Sie einmal in die Richtlinien sehen, dann ist demokratisches Lernen sehr wohl angesagt, ebenso das Schreiben von Zahlen und Buchstaben.

Sie dagegen behaupten pauschal: Und so geht es in seinem „Konzept“ im Großen und Ganzen auch weiter.

Woher nehmen Sie diese Behauptung?

Sie stellen dann dagegen: Im Konzept Offener Unterricht mit Methode arbeitet man auf solch eine Offenheit schrittweise hin.

Nichts dagegen, dass das der Offene Unterricht mit Methode schrittweise auf diese Offenheit hinarbeiten, die Peschel sofort realisiert. Nur wo ist da der Vorteil?

Soll das unterstellen, das wäre der bessere Weg, dann frage ich zurück: Was ist der Maßstab? Für wen besser? Für die Kinder oder für den Lehrer? Und inwiefern besser? Warum schränken Sie Offenheit erst ein um dann schrittweise doch Offenheit zu erreichen?

Dazu erklären sie leider nichts - außer dass Sie Peschels Konzept schon immer kritisch gesehen haben. Ohne Beleg und ohne Grundlage bewerten Sie Peschels Konzept als sehr gut gemachte und akribisch dargestellte Aktionsforschung seines Unterrichts.

Ich kann an dieser Stelle nicht erkennen, worauf sie Ihr Urteil stützen, außer auf ihre ganz persönliche Meinung. Ich dachte wir wollen hier erst einmal diskutieren - hart an der Sache.

Sie beschweren sich: Es hat dazu noch einen Experiment-Charakter, da nicht vorhergesagt werden kann, wie sich die Kinder entwickeln werden und dies auch in anderen Lerngruppen und mit anderen Lehrpersonen gänzlich unterschiedlich ausfallen kann.

Ich frage: Kann irgend ein Unterricht vorhersagen, wie sich die Kinder entwickeln werden? Insofern ist jeder Unterricht ein Experiment, unumkehrbar, unwiederholbar. Der immer wieder mit anderen Lerngruppen anders verläuft. Das kann jede LehrerIn bestätigen. Warum aber wird dann diese Plattitüde gegen den Offenen Unterricht im Sinne Peschels ins Feld geführt?

Es geht dann weiter: Dies birgt große Gefahren in sich.

Wieder nennen Sie keine der Gefahren, sondern stellen nur eine Behauptung auf, die nicht belegt ist. Welche Gefahren birgt denn der Offene Unterricht nach Peschel, die der Offene Unterricht mit Methode, der ja das gleiche anstrebt aber nur schrittweise erreicht, vermeidet? So setzen Sie sich dem Verdacht aus, nur Stimmungsmache zu betreiben, nur zu polemisieren statt zu argumentieren.

Sie fahren fort: Allein daher sollte das Konzept nicht als allgemeingültiges Konzept für den Offenen Unterricht verstanden werden, was leider oftmals der Fall ist.

Sie folgern also ernsthaft, dass auf Grund dieser behaupteten Gefahren hin Peschels Konzept nicht für ein allgemeingültiges Konzept des Offenen Unterrichts verstanden werden solle, was oftmals der Fall sein soll. Sie fällen also, bevor wir hier überhaupt diskutiert haben, schon ein Urteil über den Offenen Unterricht nach Peschel - ohne jede Begründung. Sie behaupten weiterhin, Peschels Konzept werden oftmals so verstanden.

Ich frage Sie: Wer hat das wo so dargestellt. Ich suche tatsächlich schon lange nach wissenschaftlichen Kritiken des Offenen Unterrichts von Peschel - nur bisher leider vergebens.

Sie schreiben: Ich beziehe mich alleinig auf die Unterrichtspraxis.
Mein Ziel mit dem Konzept Offener Unterricht mit Methode “ ist, Offenen Unterricht handhabbar und praktikabel für alle zu machen, also ein wirkliches Konzept bereitzustellen. Wäre es nicht schön, wenn man mit dem Konzept der Offenheit möglichst viele Klassenzimmer erreichen würde (und dies dort dann auch zuverlässig funktioniert)?


Wieder stellen Sie eine Behauptung auf, die sich bei der Lektüre von Peschels Darstellung als gegenstandslos herausstellt:

Peschel stellt ausdrücklich klar, das seine Raster zunächst eine Einordnung des eigenen Unterrichts ermöglichen. Sei es durch Selbstüberprüfung oder durch Fremdeinschätzung. (Band 1, S. 57f) Wörtlich schreibt er:

"Wenn man dies wünscht, kann man den Grad der Öffnung einer einer praktizierten oder geplanten Unterrichtssituation in den verschiedenen Dimensionen analysieren und bekommt durch die darüber liegenden Stufen Anregungen für den 'nächsten Schritt' in Richtung eines stärkeren Einbezuges der Schüler in ihr Lernen."

Die Bestimmungsraster ermöglichen gerade genau das, was sie ihnen absprechen aber nur für den eigenen Weg reklamieren: Die Einschätzung des eigenen Unterrichts und Hilfen dazu, wie er weiter geöffnet werden kann. Damit ist jede LehrerIn selbst in der Lage, die notwendigen Schritte zu tun - wenn sie das wünscht. Ganz ohne Anleitung und ohne Umweg über ein anderes Konzept.

Und wenn eine LehrerIn dann tatsächlich einen wirklichen Schritt überlegt - wenn es nicht nur darum geht, sich selbst zu beweisen, dass das das Konzept von dem Peschel nix taugt und nicht umsetzbar ist - wenn sie also einen Schritt gehen will, von dem sie überzeugt ist, er überfordert weder sie noch ihre Schüler, wenn sie dann mit Schülern über ihren Plan spricht und sie fragt, wie sie denn dazu stehen und das wiederum berücksichtigt, dann ist nicht einzusehen, wie irgendjemand von außen das besser wissen könnte.

Um wirklich Hilfestellung geben zu können, braucht es nicht eine Methode, die einen bestimmten Weg aufzeigt, sondern eine Art Coaching, was hilft, den eigenen Weg zu finden und zu gehen.

Ob denn nun der Offene Unterricht mit Methode so ein Weg sein kann, oder ob er nur den Weg 'Kellner' anbietet, das soll hier untersucht werden. Statt einer Diskussion finden sich aber bisher nur Behauptungen.

Sie schreiben: Das Konzept ist weiterhin eine Fusion aus Offenem Unterricht/Individualisiertem Lernen/Methodenlernen. Gerade unter dem Gesichtspunkt des Individualisierten Lernens lässt Offener Unterricht mit Methode sogar eine komplette Unterrichtschließung für einzelne Kinder zu, wenn sich herausstellt, dass das Kind überfordert ist. Offene Strukturen sind nicht für alle Kinder gut! Es gibt Kinder, z.B. starke ADHS-Fälle, für die eine komplette Öffnung eine totale Überforderung darstellt, ja sogar ein Hindernis ist. Hier spreche ich aus vielfältiger Unterrichtserfahrung und daher ist die Existenz solcher Kinder für mich ein undiskutierbarer Fakt. Gerade solche Kinder müssen langsam und schrittweise zur Offenheit geführt werden.

Ich stelle dagegen: Der Offene Unterricht mit Methode will gar nicht den Kindern die Selbstbestimmung über ihr eigenes Lernen ermöglichen, weil er stellt von vornherein fest, das es Kinder gibt, für die Selbstbestimmung nicht gut ist, ja sogar ein Hindernis ist. Das wird zum undiskutierbaren Fakt erklärt.
Die Erfahrung Kellners wird damit absolut gesetzt - andere Erfahrungen gelten nicht, sind gar nicht zugelassen.

Es wird behauptet, 'gerade solche Kinder müssen langsam und schrittweise zur Offenheit geführt werden'. Peschel erklärt nirgendwo, dass alle Kinder sofort mit dieser Offenheit uneingeschränkt klar kommen. Es wird in seinen Fallstudien aber auch genauso klar, dass alle Kinder ohne Führung diesen Weg finden und gehen können, wenn sie denn dabei unterstützt werden.

Kinder müssen selbst entscheiden, welchen Weg oder Umweg sie gehen wollen und ob sie diesen Weg langsam für sich ertasten oder ob sie dabei rückwärts gehen wollen oder den Weg im Laufschritt zurücklegen. In diesem Sinne ist eine Führung unmöglich.

Es heißt aber nicht, die Kinder auf diesem Weg alleine zu lassen, sich blutige Nasen und aufgeschürfte Knie zu holen oder gar alleine liegen zu bleiben. Wichtig ist, dass jedes Kind die Zeit hat, die es braucht, den Weg zu bewältigen, und das es jederzeit stehen bleiben kann oder auch zurückgehen kann und mit seiner Entscheidung nicht alleine ist. Die LehrerIn muss da sein, das Kind begleiten, seinen eigenen Weg zu gehen - aber nicht um das Kind führen. Es geht noch nicht mal um Zuspruch, um Ermutigung zu etwas. Es geht darum, dass ein Kind für sich verantwortlich eine eigene Entscheidung trifft.

Ein immer geführtes Kind wird nie selbständig alleine gehen können. Wer immer nur mit Stützrädern fahren darf, findet Fahrradfahren langweilig und wendet sich ab. Stützräder beruhigen die Eltern aber sie helfen den Kindern nicht, das richtige Gefühl für Balance zu finden.

Ich hoffe, der Unterschied ist klar sichtbar geworden.

Jürgen Göndör

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Jürgen Göndör
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02.03.2009 02:37 Juergen ist offline Email an Juergen senden Homepage von Juergen Beiträge von Juergen suchen Nehmen Sie Juergen in Ihre Freundesliste auf
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Weiterhin zu ihrem Text:

Sie schreiben: Nichts desto Trotz ist das Konzept ein offenes Konzept, dass sich aber ganz individuell auf die einzelnen Potentiale der Kinder einstellt. So etwas bietet das so genannte Konzept Peschels nicht, zumindest nich in diesem Maße. Die intrinsische Differenzierung, die automatisch im Offenen Unterricht enthalten ist, reicht nicht immer für alle Kinder aus. Daher ist Offener Unterricht mit Methode noch mehr an den Bedürfnissen des Kindes orientiert als das Konzept Peschels, welches den radikalen Idealismus der Bewegung „Offener Unterricht“ (welcher geschichtlich gewachsen ist) immer noch sehr ernst nimmt und diesen über die Bedürfnisse des Kindes stellt. Offener Unterricht Total, ob Kind will bzw. kann oder nicht.

Meine Antwort: Entweder Sie haben die Bücher: Offener Unterricht in der Evaluation nie gelesen, oder sie betreiben eine Rufmordkampagene an Falko Peschel. Eine dritte Möglichkeit wäre: Sie wollen mich provozieren.

Bitte belegen Sie doch, wo sie diese Behauptung in Peschels Darstellungen finden. Wo und wann wird der Offene Unterricht Peschels über die Bedürfnisse auch nur eines Kindes gestellt, bzw. welche Hinweise führen zu der Auffassung, dass dies so sein müsse?

Ganz offensichtlich gehen Sie von einem Zerrbild des Offenen Unterrichts im Sinne Peschels aus - die oben aufgestellte Behauptung steht zu dem was Peschel schreibt in vollkommenen Widerspruch.

Wenn ich auch Peschels Unterricht nicht aus eigener Anschauung kenne, so kenne ich doch den Unterricht an der Grundschule Harmonie, an der Peschel als Konrektor tätig war und ebenso die Einschätzungen der Kollegen und des Schulleiters dort. Es ist dabei gar nicht so, dass an dieser Schule die 'reine Lehre Peschels' zelebriert wird. Man sieht durchaus Unterschiede - und zwar genau da, wo sie wegen der real existierenden Kinder und Lehrer gemacht werden. Und das ist gut so.

Es muss Unterschiede geben, weil die Lehrer dort keine Klone von Falko Peschel sind. Einigkeit besteht hinsichtlich der Notwendigkeit, dass Kinder selbst über ihr Lernen bestimmen müssen. Und genau für dieses Konzept hat die Schule 2007 das Gütesiegel Individuelle Förderung der Landesregierung NRW bekommen.

Aus Ihren Äußerungen zum Offenen Unterricht mit Methode und der Darstellung auf Ihrer Webseite lese ich allerdings immer wieder heraus, dass es da Pflichtaufgaben gibt, dass Kinder geführt werden, dass für einzelne Kinder der Unterricht auf ganz geschlossen umgestellt werden kann, daß es ein Sanktionenkonzept gibt, ... All das sind Maßnahmen, die ich in den Darstellungen Peschels ganz und gar vermisse und auch sehr enttäuscht wäre, sie dort zu finden.

Peschel stellt ja gerade fest, dass nach vier Jahren Grundschule mit Offenem Unterricht ohne Pflichtaufgaben, ohne Vorgaben und ohne materialzentrierte Lehrgänge die Schüler dem Lernpensum nach bereits ein halbes Jahr bis zu zwei Jahre weiter sind. Selbst die schlechteste SchülerIn seiner Klasse blieb nicht sitzen sondern hatte nur ein halbes Jahr Rückstand - nicht zum Klassendurchschnitt, sondern gemessen mit Schultests, die eine bundesweite Einstufung ermöglichen.

Es gibt kein Sanktionenkonzept - wohl aber von den Kindern selbst erstellte Regeln und der Möglichkeit, diese Regeln jederzeit ändern zu können.

Niemand muß erleben, dass plötzlich die gewährte Freiheit wieder genommen wird, weil es angeblich besser für dieses Kind ist. Wie kann man als Kind so etwas berechnen? Wie kann man daraus eine Sicherheit gewinnen?

Die Sicherheit die die Kinder gewinnen kommt genau nicht aus einer von Erwachsenen gesteuerten Welt auf die sie keinen Einfluss haben, sondern aus der für sie vom ersten Tag erlebbaren Situation, dass sie gefragt werden und dass ihre Entscheidungen wichtig sind - ob das nun die Frage am ersten Tag ist, ob es denn schon Hausaufgaben geben soll (wurde mit ja beantwortet), oder ob am zweiten Tag eine Zeitlimit für die Nutzung der PS's (Wie lange darf ein Kind den PC für sich benutzen - 30 Minuten) ausgehandelt wurde.

Ein Konzept, das einen radikalen Idealismus vertritt - wie immer der auch aussieht - hätte in so einer Klasse gar keine Chance. Die Schüler würden die Zusammenarbeit aufkündigen.

Peschel beantwortet auch die Frage: Wo bleiben die Kinder, die gar nicht offen lernen wollen oder können?

Kinder lernen von ihrer Geburt an - immerzu. Es gibt keinen Grund, warum sie gerade in der Schule das aufgeben sollten. Sie dürfen ja das lernen, was sie interessiert. Die Frage ist also also rein rhetorisch zu verstehen, bzw. sie erfolgt aus einer Haltung heraus, die Lernen als etwas fremdes für das Kind versteht. Diese Haltung verkennt aber vollkommen die Einsicht, die schon Einstein hatte: Kinder lernen trotz Schule!

Nicht anders ist die Frage zu beantworten: Kann es sein, daß Schüler gar nicht offen Lernen können? Auch diese Frage ist grundsätzlich mit einem klaren: Nein! zu beantworten. Es kann sein, daß Kinder langsam lernen, daß sie etwas nicht lernen, was sie lernen sollen, das sie etwas nicht lernen, weil sie von ganz anderen Problemen belastet sind, z.B. Arbeitslosigkeit - um nur eines zu nennen. In den letzten beiden Fällen können die Schüler nicht nur nicht offen sondern auch mit keinem anderen Konzept lernen. Sie brauchen Hilfe und Trost, Beistand. Wenn sie nicht lernen, was sie sollen - dieses Problem kommt im Offenen Unterricht nach Peschel nicht vor - es gibt keine Pflichtaufgaben, es gibt kein sollen. Wenn Kinder langsam lernen, ist das zunächst Rückfragen: Wer sagt, wie schnell ein Kind lernen soll? Woran bemisst sich die Aussage: 'langsam'? Heißt nicht in der eigenen Lerngeschwindigkeit lernen genau das: Manche schnell, manche langsam?

Wenn ein Kind trotzdem so langsam lernt, daß es kaum vorankommt - dann ist natürlich eine Ursachenerforschung angesagt. Peschel beschreibt solche Kinder, bei denen plötzlich die Lernmotivation wegbricht oder nicht vorhanden ist. Ein Mädchen wähnte sich als Prinzessin, die nichts lernen muss, weil sie ja ihre Berater hat. Ein Junge lernte nicht mehr, weil ihm und seiner Familie ganz akut die Abschiebung drohte. Im ersten Fall konnte ein Gespräch das Bild vom Leben einer Prinzessin korrigiert werden - im zweiten fall gab es keine Hilfe. Dem Kind wurde sein 'Nichtlernen' zurückgemeldet, gerade ohne irgendwelche Sanktionen zu verhängen, ohne die Situation zur geschlossenen Lernsituation zu verändern. Trotzdem ergab sich erst eine Veränderung, als die Abschiebung abgewendet war. Gerade durch die offene Lernsituation - das Kind bestimmt über ein Lernen - war die Situation entspannt und wurde nicht durch Anforderungen der Schule und entsprechende Sanktionen verschärft, wie das üblicherweise der Fall ist.

Jürgen schrieb:
Es müsste also schon auch das andere know how vermittelt werden, wie man denn in der Situation des Offenen Unterrichts als Lehrer reagiert, worauf es ankommt.

Michael antwortete: Da stimme ich Ihnen voll und ganz zu. Leider sieht die Realität in der Lehrerausbildung ganz anders aus und daran wird sich auch in kurzer Zeit nichts ändern. Bis es soweit ist, muss das „Konzept“ Peschels mir Vorsicht betrachtet werden.
Ich versuche mich in meinem Konzept an der Realität der aktuellen Situation zu orientieren.

Jürgen antwortet darauf: Sie nehmen also die Realität der Lehrerausbildung zum Anlass, das Konzept von Peschel mit 'Vorsicht zu betrachten'. Ausbaden müssen das die Kinder, die dann dieser Realität der Lehrerausbildung ohne jede Alternative ausgeliefert sind - oder nur Alternativen haben, die auf die verfehlte aber reale Lehrerausbildung Rücksicht nehmen.
Das hilft den Kindern nicht und bewahrt die Lehrerausbildung davor sich zu verändern.

Jürgen schrieb:
Die neue Lehrerrolle kann im Sinne des Offenen Unterrichts nicht die des 'Lerndesigners' sein - das sind die Kinder selbst. Die neue Rolle des Lehrers ist vielmehr die, die Carl R Rogers schon vor mehr als 35 Jahren in seinem Buch: 'Lernen in Freiheit' beschrieben hat: Die des Facilitators, die des Förderers des Lernens. Er verstand sich genau nicht als Lerndesigner, sondern als ein Lernbegleiter, der die Lernenden auf dem Weg ihres persönlichen Wachstums unterstützt und stärk.

Michael antwortet: Die Beschreibung der Lehrerrolle als Lerndesigner bezieht sich nur auf die Entwicklung offener Lernarrangements. Dies hat tatsächlich einen starken Designcharakter. Auch wenn diese Arrangements von der Lehrkraft vorab designt werden enthalten sie für die Kinder eine vollwertige 3-Stufen-Öffnung.
Bei der späteren Durchführung in der Praxis ist die Lehrkraft natürlich wieder in der Rolle des Lernbegleiters und die Schüler werden zu Lerndesignern (im Laufe der Schuljahre und Lernarrangements immer stärker).

Man kann sagen, dass sich Offener Unterricht mit Methode in verschiedene Lernarrangements aufteilt, die im Laufe der Zeit eine immer umfangreichere Öffnung bzw. Offenheit realisieren.

Darauf antwortet Jürgen: Das ist also wieder genau die Situation des bisherigen Unterrichts: Die Schüler dürfen selbständig lernen, was sie lernen sollen. Innerhalb des Lehrerdesigns dürfen sie auch designen?????

Da habe ich eine andere Vorstellung von freiem Lernen und Lernen aus eigenem Interesse!


Sie schreiben: Ich habe den Eindruck, dass Sie das Konzept in manchen Teilen noch nicht richtig verstehen. Aber dies ist auch nicht einfach mit den Erklärungen auf der Hompege als alleinige Grundlage. Am besten ist immer, den Unterricht zu beobachten. Kommen Sie doch mal vorbei. Sie sind herzlich eingeladen!

Ich antworte: Kann schon sein - deshalb diskutieren wir hier. Das habe ich ja auch eingangs schon als Handycap beschrieben. Aber ich hatte mir mehr eine argumentative Auseinandersetzung vorgestellt, diesen Wunsch bitte ich doch zu berücksichtigen.

Persönliche Meinungen und nichtdiskutable Aussagen sind da aus meiner Sicht wenig hilfreich.

Liebe Grüße

Jürgen Göndör

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Jürgen Göndör
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02.03.2009 04:39 Juergen ist offline Email an Juergen senden Homepage von Juergen Beiträge von Juergen suchen Nehmen Sie Juergen in Ihre Freundesliste auf
Michael Kellner
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Vorab:
Ich bin ein Freund des Offenen Unterrichts und auch der von dem Unterricht Falko Peschels. Ich würde mich freuen, wenn wir in Deutschland viel mehr solche Lehrer hätten. Aber als wissenschaftlich orientierter Mensch sehe ich auch Grenzen und Kritikpunkte. Auch diese möchte ich hier frei äußern dürfen. Ich würde es sehr begrüßen, wenn diese Diskussion weiterhin auf einer wertneutralen Ebene verlaufen könnte, auch wenn teilweise kritische Meinungen in Richting Peschel geäußert werden.

Zu der Stufendebatte:
In einem haben Sie Recht: Die Unterscheidung von Stufen ist in dieser Diskussion von keiner großen Bedeutung. Aber die Unterscheidung ist trotzdem existent und darf nicht völlig durcheinandergebracht werden. Mit Begrifflichkeiten sollte schon fachlich korrekt umgegangen werden. Wichtig ist jetzt erstmal, dass ich zwischen Stufen und Dimensionen trenne. Wenn ich also im Folgenden von Stufen der Öffnung spreche, dann meine ich auch die in Peschels Literatur benannten drei Öffnungsstufen + Vorstufe und nicht die fünf Dimensionen. So sollten keine Missverständnisse mehr aufkommen.

Sie schrieben:
Daraus entnehme ich, dass der Lehrer nach wie vor unterrichtet. Die Kinder folgen mithin dem Unterricht des Lehrers. Oder sehe ich das falsch?


Das empfinde ich nun als Haarspalterei. Dieser besagte Satz spiegelt lediglich wider, dass der Lehrer die Kinder als Individuen wahrnimmt. Sie beschweren sich über die Vokabel „unterrichten“. Auch wenn die Kinder den Unterricht selbstständig bestreiten, so spricht man doch offiziell immer noch vom Unterricht von Frau oder Herr Herrn XXX. Schließlich heißt es ja auch Offener UNTERRICHT und offener-UNTERRICHT.net. Hier wäre sicherlich auch offenes-lernen passender.
Ich sehe „Unterricht“ und „unterrichten“ als neutrale und wertfreie Begriffen an.


Sie schrieben:
Ich frage: Wer und wie wird interessenbezogenes, intrinsisch motiviertes Lernen mit anderen Lernmethoden kombiniert? Was sind überhaupt Lernmethoden Ihrer Auffassung nach?


Da Ihrerseits offensichtlich immer noch deutliche Bedenken bezüglich des Konzeptes bestehen, ob dies wirklich ein offener Unterricht ist oder in Wirklichkeit nur ein getarnter lehrerzentrierter Unterricht, möchte ich versuchen zu erläutern, wie die Aktivität der Kinder im finalen Lernarrangement aussieht (Bsp.: Deutsch-Sachunterricht-Mathe):

Die Kinder erhalten jeden Montag neu einen offenen Wochenplan. Dieser ist weitgehend leer. Anhand dieser Vorlage planen die Kinder ihre eigene Lernwoche. Der Wochenplan hat vier Spalten:

1. Spalte: Projekt
Hier können die Kinder etwas eintragen, wenn sie sich für diese Woche irgendein Projekt ausdenken möchten. Im Vorfeld haben die Kinder schon gelernt, wie man einen Artikel für die Klassenzeitung schreibt oder wie man ein Lernplakat erstellt und am Ende der Woche vorstellt. Zur professionellen Durchführung solcher Projekte erwarben die Kinder schon im Vorfeld wichtige (lern-)methodische Kompetenzen, z.B. das Recherchieren im Internet, die Durchführung einer Schreibkonferenz, Fragen an ein Thema stellen, Gestaltung eines Plakates, Kernwörter markieren, Quizfragen erstellen, Präsentationstechniken etc. Aber auch die Vorgehensweise bei Problemen wurde in vergangenen Zeiten mit ihnen trainiert und abgesprochen, z.B. Nachschlagen im Wörterbuch bei unbekannten Wörtern, Mitschüler fragen und auch die Regel: immer erst die Mitschüler fragen und den Lehrer als letztes und nur im absoluten Notfall. Mit solchen Grundkompetenzen arbeiten die Schüler sehr selbstständig, zielstrebig und effektiv.
Es muss aber nicht unbedingt ein Lernplakat oder ein Zeitungsartikel sein. Hat das Kind völlig andere kreative Ideen, kann es diese mit dem Lehrer besprechen und durchführen. Auch mehrwöchige Projekte sind möglich. Die Kinder entscheiden weiterhin, ob sie alleine oder in einer Gruppe arbeiten möchten.
Somit sind Organisation, Methode und Inhalt weitestgehend offen.
Am Ende der Woche können in der Klassenveranstaltung „Die Wochenshow“ dann Ergebnisse präsentiert werden.

2. Spalte: Lesen und Schreiben
Hier können die Kinder Ihre Vorstellungen eintragen, was sie in dieser Woche schreiben oder lesen wollen. Dies kann zusätzlich zum Projekt geschehen oder dieses ersetzen.

3. Spalte: Rechnen
Hier tragen die Kinder Rechenideen ein. Auch Rechenprojekte sind sehr willkommen. Die Kinder lernen z.B. vorab, wie man spannende Rechen-Knobelgeschichten schreibt etc. Die Kinder können sich auch eigene Rechenaufgaben ausdenken. Kreative Ideen sind willkommen. Teilweise enthält dies Spalte aber auch zusätzlich noch vorgegebene Matheaufgaben, die an den Leistungsstand des Kindes angepasst sind.


4. Spalte: Rechtschreibforscher
Dieser Bereich ist der geschlossenste. Hier arbeiten die Kinder in ihren unterschiedlichen Niveaustufen und in eigenem Tempo mit sehr anregendem Arbeitsmaterial, z.B. Sortieraufgaben mit einem Partner oder Wortschatztraining am Computer. Die offene Auseinandersetzung mit der eigenen Rechtschreibung findet anhand der Schreibkonferenzen zu den eigenen Texten innerhalb der oben beschriebenen Projekte statt.

Für Kinder die mit der Offenheit in diesem (leeren) Wochenlan partout nicht zurechtkommen, kann der Wochenplan auch vom Lehrer oder gemeinsam von Lehrer und Schüler ausgefüllt werden. Für vereinzelte Kinder kann dies auch die komplette Schließung des Unterrichts bedeuten (was seltenst vorkommt).

Ich hoffe, dass hier deutlich geworden ist, dass „Offener Unterricht mit Methode“ trotz seiner vielfältigen methodisch-didaktischen Hintergrundüberlegungen immer noch ein sehr offenes Konzept ist. Zugegeben – die Offenheit ist nicht ganz so weit ausgeprägt, wie im Konzept Peschel. Aber es ist auch nicht gesagt, dass nur jener Offener Unterricht gut ist, der die Offenheit bis an die Spitze treibt.


Sie schrieben:
Es ist also bei Peschel gar nicht notwendig ein klares Sanktionenkonzept zu erstellen. Es kann also die Kinder auch nichts verunsichern. Wer erstellt denn dieses Konzept, wer setzt es durch? Wer verhängt die Sanktionen und wie wehren sich Kinder dagegen - oder gibt es nur die Unterordnung? Welchen Einfluß haben Kinder auf dieses Konzept?


Ich möchte gar kein klar definiertes Sanktionierungskonzept für mein Konzept benennen, da die Notwendigkeit von Sanktionierungsmaßnahmen von Klasse zu Klasse sehr stark variieren können. Vielmehr ist mir nur das Prinzip der Berechenbarkeit wichtig. Das heißt, dass die Kinder wissen wann und warum eine Sanktionierung stattfindet. Kinder erhalten z.B. immer erst zwei nette Warnhinweise, bevor tatsächlich etwas passiert.
Ich würde jedoch eine Empfehlung aussprechen (so wie auch ich es selbst mache): Im Rahmen des Klassenrates kann man wunderbar gemeinsam mit den Kindern Regeln und dazugehörige Sanktionen vereinbaren. Diese Regeln kommen zum größten Teil von de Kindern selbst. Das kann dann z.B. die Form eines Strafgesetzbuches annehmen oder auch ein Vertrag auf dem alle unterschreiben… Auf dieser Basis werden schwierige Fälle von den Kindern selbst verhandelt und entschieden. In kleineren Delikten oder wenn es mal schnell gehen muss, gibt es aber auch immer noch das Machtwort des Lehrers.

In diesem Bereich gibt es also Unterschiede zum Konzept Peschel.

10.03.2009 21:34 Michael Kellner ist offline Email an Michael Kellner senden Homepage von Michael Kellner Beiträge von Michael Kellner suchen Nehmen Sie Michael Kellner in Ihre Freundesliste auf
Michael Kellner
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Sie schrieben:
Woher nehmen sie die Aussage, daß das was die Kinder bei Peschel tun, zunächst nichts mit schulischen Lerninhalten zu tun hat?


Weil Sie dies selbst so schrieben.

Hier ihr Zitat (aus Ihrer ersten Antwort weiter oben):
„Falko Peschel hat nicht drei Stufen sondern fünf und die Kinder werden nicht mit der Vielfalt der schulischen Lerninhalte konfrontiert, sondern die LehrerIn hört erst einmal zu. In seiner Dokumentation schildert Peschel den ersten Unterrichtsalltag als Tag der Kinder.“ Das lässt sich beim besten Willen nicht als Konfrontation mit schulischen Lerninhalten interpretieren. Es gibt von Seiten Peschels noch nicht einmal eine Ansprache oder Erklärungen. Seine Aktivität beschränkt sich darauf, den Kreis einzuberufen und nach der Geburtstagsfeier zu fragen, ob es denn Hausaufgaben geben soll. Die Kinder stimmen ab und entscheiden sich so dafür.



Sie schrieben:
Soll das unterstellen, das wäre der bessere Weg, dann frage ich zurück: Was ist der Maßstab? Für wen besser? Für die Kinder oder für den Lehrer? Und inwiefern besser? Warum schränken Sie Offenheit erst ein um dann schrittweise doch Offenheit zu erreichen?


Nein, das soll nicht unterstellen, dass es besser ist. Aber es ist auch gut. Zumindest hat sich gezeigt, dass es sehr gut funktioniert.
Denkbare Vorteile können sein:
- Die Öffnung des Unterrichts wird auch handhabbar für Lehrer die nicht so genial wie z.B. ein Falko Peschel sind.
- Die Kinder erhalten durch die schrittweise Öffnung einen sicheren Weg zur Selbstständigkeit
Sicherlich haben die Sofortmethode von Peschel und die Peu-a-Peu Methode sowohl Vor- und Nachteile. Über gut und schlecht möchte ich hier kein Urteil fällen.


Sie schreiben:
Der Offene Unterricht mit Methode will gar nicht den Kindern die Selbstbestimmung über ihr eigenes Lernen ermöglichen, weil er stellt von vornherein fest, das es Kinder gibt, für die Selbstbestimmung nicht gut ist, ja sogar ein Hindernis ist. Das wird zum undiskutierbaren Fakt erklärt.


Dem ist nicht so. Kinder werden nicht von vorneherein beurteilt. Vielmehr ergibt sich dies aus dem mehrfachen Scheitern offener Lernversuche.
Aber an der Aussage, dass es Kinder gibt, für die offenes Lernen (zumindest zeitweise) hinderlich ist, halte ich aus Erfahrung fest.


Sie schreiben:
Entweder Sie haben die Bücher: Offener Unterricht in der Evaluation nie gelesen, oder sie betreiben eine Rufmordkampagene an Falko Peschel. Eine dritte Möglichkeit wäre: Sie wollen mich provozieren.


Natürlich ist nichts davon der Fall. Es ist schlicht die vierte Möglichkeit: Ich sehe Teile des Konzepts „Peschel“ durchaus kritisch. Ist dies hier nicht gestattet?
Dass Sie von einer Rufmordkampagne ausgehen finde ich ja schon gar eine lustige Idee.
Gerne lasse ich mich eines Besseren belehren. Dass ich die Peschel-Bücher gelesen habe, ist schon eine Weile her. Können Sie mir eine Stelle nennen, in der Peschel intensiv auf die Schwachstellen und Probleme des offenen Lernens eingeht? Bietet er ein Konzept für den Umgang mit Kindern die drohen, im offenen Lernen unterzugehen?
Meine Wahrnehmung ist, dass hiervon zumindest im Tenor und auch in seinen Vorträgen wenig herüberkommt. Vielleicht können Sie mir aber jetzt doch eine Seitenzahl nennen auf der ich dann gerne noch einmal nachlese.



Sie schrieben dazu noch dies:
Kann es sein, daß Schüler gar nicht offen Lernen können? Auch diese Frage ist grundsätzlich mit einem klaren: Nein! zu beantworten.
Kinder lernen von ihrer Geburt an - immerzu. Es gibt keinen Grund, warum sie gerade in der Schule das aufgeben sollten. Sie dürfen ja das lernen, was sie interessiert. Die Frage ist also also rein rhetorisch zu verstehen, bzw. sie erfolgt aus einer Haltung heraus, die Lernen als etwas fremdes für das Kind versteht. Diese Haltung verkennt aber vollkommen die Einsicht, die schon Einstein hatte: Kinder lernen trotz Schule!



Es kann sein, daß Kinder langsam lernen, daß sie etwas nicht lernen, was sie lernen sollen, das sie etwas nicht lernen, weil sie von ganz anderen Problemen belastet sind, z.B. Arbeitslosigkeit - um nur eines zu nennen. In den letzten beiden Fällen können die Schüler nicht nur nicht offen sondern auch mit keinem anderen Konzept lernen. Sie brauchen Hilfe und Trost, Beistand. Wenn sie nicht lernen, was sie sollen - dieses Problem kommt im Offenen Unterricht nach Peschel nicht vor - es gibt keine Pflichtaufgaben, es gibt kein sollen.

Hier zeigen Sie sehr deutlich, was ich gerne als die radikale Ideologie des Offenen Unterrichts bezeichne. In einem sehr stark philosophisch anmutenden Absatz, der neben seiner schönen Klangfarbe faktisch als fragwürdig zu bezeichnen ist, erklären sie den Ansatz „Offener Unterricht“ praktisch für unfehlbar und verneinen die Existenz von Kindern für die dieser Lernweg unvorteilhaft ist. Offener Unterricht ist nach dieser Darstellung für alle der einzig richtige Weg!
Ich gebe zu, dass offener Unterricht für die meisten Kinder überaus große Vorteile bringt, aber wo bleibt trotz allem die Kritikfähigkeit und ein gesunder Abstand zur eigenen Sache?
Ich selbst, als Vertreter Offenen Unterrichts, möchte mich stückweit von Ansichten distanzieren, die keinerlei Kritik anerkennen, Schwachpunkte nicht selbstkritisch reflektieren und andere Konzepte nicht anerkennen können.
Ich könnte an dieser Stelle zahlreiche Problempunkte meines eigenen Konzeptes benennen. Aber ganau das ghört dazu. Nobody’s perfect. Doch ist man sich dieser Schwachpunkte bewusst, kann man Schwierigkeiten vermeiden und vorbeugen.
Ich stelle Ihnen gerne mal ein paar Kinder vor. Vielleicht ändern Sie dann Ihre Meinung a la „Alle Kinder sollen ausnahmslos offen lernen“ stückweit.
Meine Meinung ist: Offener Unterricht sollte die Basis eines jeden Unterrichts sein – sollte aber auch eigene Schwachpunkte anerkennen und dementsprechend agieren.
Anmerkung: Mir ist sogar mal aufgefallen, dass offen lernende Kinder gelegentliche lehrerzentrierte Phasen regelrecht genießen können – der Genuss des berieseln lassens. (Dies soll mit nichten ein Plädoyer für lehrertentrierten Unterricht sein. Offenes Lernen muss stets die Basis sein).



Sie schrieben:
Ich suche tatsächlich schon lange nach wissenschaftlichen Kritiken des Offenen Unterrichts von Peschel - nur bisher leider vergebens.



Mir ist auch kein Wissenschaftler bekannt, der sich die Mühe gemacht hat, genau dies zu untersuchen. Untersuchungen beziehen sich immer auf offenen Unterricht im Generellen. Und hier finden Sie auch Kritikpunkte.

10.03.2009 21:38 Michael Kellner ist offline Email an Michael Kellner senden Homepage von Michael Kellner Beiträge von Michael Kellner suchen Nehmen Sie Michael Kellner in Ihre Freundesliste auf
Juergen
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Dimensionenkonzept
Statt auf alles einzeln zu antworten, versuche ich einmal die bisher entdeckten Gemeinsamkeiten und Unterschiede zusammenzutragen.
1. Dimensionenkonzept
Es gibt 5 Dimensionen: organisatiorische D., methodische D, inhaltliche D, soziale D. und persönliche D.
Da gab es wohl keinen Widerspruch

2. Stufen der Öffnung in den Dimensionen
Jede einzelne Dimension ist in 6 Stufen gegliedert: Stufe 0 ganz geschlossen, alles wird vom Lehrer vorgegeben ... Stufe 5 ganz offen, die Kinder können sich alles selbst einteilen.
Hier gab es Widerspruch: im OUmM gibt es unter Berufung auf Peschel 3 Stufen mit einer Vorstufe.
Darüber konnte bisher keine Verständigung erreicht werden.

Zu beiden Punkten gibt es hier ausführliche Informationen:
http://offener-unterricht.net/ou/start-offu.php?action=rast1

Es gibt auch ein Stufenmodell welches Falko Peschel vorstellt:
http://offener-unterricht.net/ou/start-offu.php?action=rast2
Dieses Stufenmodell erweckt (in meiner Darstellung auf der Internetseite) den Eindruck, als könne auf den Stufen 0 bis 3 gearbeitet werden, ohne gleichzeitig auch die Stufe 4 in die Realisierung einbezogen werden. Das ist jedoch ein Irrtum. Die Stufe 4 ist immer integriert in die anderen Stufen zu denken. Das ist von mir ungenau dargestellt.

Sowohl das Stufenmodell als auch das Dimensionenkonzept ist nicht als Modell unabhängiger Variablen zu sehen. Beide sind vorrangig Diagnoseinstrument für den eigenen Unterricht und seine Weiterentwicklung, die als Gesamtkonzept verstanden werden müssen.


3. Der OUmM sagt von sich, er ist offener Untericht, ohne Peschels Radikalität für sich zu reklamieren. Er bezeichnet sich als schrittweise Annäherung an das Konzept Peschels.

Im einzelnen gibt es inhaltliche Vorgaben des Lehrers, die an den Lernstand der Kinder angepasst sind. Die Kinder können aber auch Themen 'frei' (?) wählen. Fragezeichen, weil unklar ist, ob und wie diese Freiheit beschränkt ist.
Es gibt methodische 'Vorkurse', in denen die Kinder erst einmal lernen, wie z.B. auf einem Plakat präsentiert wird, wie im Internet recherchiert wird.
Organisatorisch erhalten die Kinder einen Wochenplan, den sie ausfüllen müssen. Wenn sie an dieser Aufgabe scheitern, dann können sie den Lehrer um Hilfe bitten und in seltenen Fällen kann so auch der Unterricht für ein Kind ganz geschlossen werden, d.h. alles wird vom Lehrer vorgegeben.
Sozial gibt es zumindest eine vorgegebene Regel: 'Immer erst die Mitschüler fragen.' die die Kinder nicht selbst erstellt haben. Die weiteren Regeln werden zusammen mit den Schülern erstellt - es ist dabei nicht klar, ob der Lehrer dabei eigene Ziele verfolgt, oder Dinge der Kinder durch die Kinder geregelt werden. Das Lernen der Kinder wird nur mit Einschränkungen von ihnen selbst gesteuert und kann auch in totale Fremdsteuerung übergehen.
Persönlich kann keine Einschätzung erfolgen, da keine Beobachtung im Umgang mit den Kindern vorliegen.

Für mich ergibt sich die Frage, nach welchen Kriterien ein Lehrer wann und wie eingreift. Wann bekommt ein Kind Aufgaben, die seinem Lernstand angepasst sind und zu welchem Zweck.

Eine weitere Fragekomplex ist, ob die Kinder ihre Aufgaben ganz frei wählen können oder ob es eine Auswahl aus Themen ist. Wann stehen nach welchem Plan Pflichtaufgaben für die Kinder auf dem Programm und wie ist das Verhältnis von Pflicht zu Kür? Kann ein Kind die Aufgabe wechseln, d.h. sich anders als im Wochenplan vorgesehen Lerngegenständen zuwenden. Und muss das mit dem Lehrer abgesprochen werden, braucht es eine Rücksprache? Können Kinder jederzeit auch die Klasse verlassen um außerhalb dieser zu arbeiten - wer entscheidet an diesen Stellen? Gibt es Plätze, wo Kinder nicht arbeiten dürfen?
Gibt es einzelne Kinder, für die irgendwelche Einschränkungen gelten? Wenn ja, wer bestimmt wer wie eingeschränkt wird? Wenn ganz geschlossen auch nur selten vorkommt - wie viel Vorgaben gibt es und wie viel Freiraum besteht für jedes einzelne Kind? Gibt es Kinder mit unterschiedlich viel Freiraum? Nach welchen Kriterien wird das entschieden. Was geschieht, wenn ein Kind mehr Freiraum in Anspruch nimmt? Darf ein Kind Pflichtteile ablehnen? Wie wird damit im OUmM umgegangen? Wie wird aus einer ganz geschlossenen oder geschlosseneren Lernsituation wieder offenes Lernen?

Können die Kinder selbst entscheiden, was sie wann und wie in der Show präsentieren? Gibt es auch außerhalb der Show Präsentationenmöglichkeiten - welche Rolle spielt das Bedürfnis der Kinder?

Gibt es außer 'Mitschüler-fragen' noch weitere vorgegebene Regeln? Können Kinder Regeln verändern oder abschaffen?

Und woran und wie wird gemessen, was gut funktioniert? Wie wird festgestellt, ob Kinder mehr oder weniger Freiheiten möchten oder brauchen? Wie wird die Grenze zwischen dem Wunsch nach 'Berieselung' und dem Konzept des Selbstlernens gehandhabt. Nach welchen Kriterien wird das Selbstlernen ausgeweitet oder eingeschränkt? Wie geschieht das Umsteuern von genießen des Berieselns auf Selbstlernen. Wann wird umgesteuert? Nach welchen Kriterien wird festgelegt, ob ein Kind mehr oder weniger selbstlernen soll? Werden alle Kinder gemeinsam 'berieselt' oder können sich auch nur einzelne Kinder berieseln lassen, bzw. vom berieseln ausklinken?

Beim Zusammenstellen wird für mich deutlich, dass mir gar nicht klar ist, was denn nun eigentlich unter der Methode, mit der der 'Offene Unterricht mit Methode' operiert, zu verstehen ist. Ist es, dass Freiheit Schritt für Schritt angestrebt wird? Wenn ja, woran orientieren sich diese Schritte? Welche Schritte oder Abfolgen haben sich bewährt, bzw. nicht bewährt? Gibt es Kinder, für die unterschiedliche Freiheiten gelten? Wie geht das praktisch?
Peschel beschreibt in seinen Fallstudien an verschiedenen Stellen, dass Lernen kein kontinuierlicher Prozess ist. Lernen erfolgt 'by the way', er berichtet von Lernsprüngen, die u.a. dann auftreten, wenn sich in der Lebenssituation von Kindern deutliche Veränderungen ergeben haben - z.B. bei den Eltern -, manche Kinder trainieren sich regelrecht selbst - andere dagegen können etwas plötzlich, ohne vorhergehende Übphasen. Haben die Kinder in OUmM den Freiraum, ihrem eigenen Lernen zu folgen, oder geraten Sie dann in eine geschlossene Phase wenn dieses 'dem-eigenen-Lernen-folgen' zu lange dauert?

Liebe Grüße
Jürgen

__________________
Jürgen Göndör
service@paed.com
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06.04.2009 10:58 Juergen ist offline Email an Juergen senden Homepage von Juergen Beiträge von Juergen suchen Nehmen Sie Juergen in Ihre Freundesliste auf
Michael Kellner
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Lieber Herr Göndör,
vielen Dank erst einmal für die zusammenfassende Darstellung der bisherigen Kernpunkte dieser Diskussion.

Sie stellen weitere Fragen bezüglich des Konzepts "Offener Unterricht mit Methode", auf die ich im folgenden eingehen möchte.

Sie fragten:
Eine weitere Fragekomplex ist, ob die Kinder ihre Aufgaben ganz frei wählen können oder ob es eine Auswahl aus Themen ist. Wann stehen nach welchem Plan Pflichtaufgaben für die Kinder auf dem Programm und wie ist das Verhältnis von Pflicht zu Kür?

Meine Antwort:
Grundlegend ist die thematische Wahl der Kinder immer absolut frei und unbegrenzt. Es kann jedoch auch thematische Fokussierungen geben in der die Kinder zum Beispiel zum Thema Pflanzen forschen. Dies sind dann aber immer Ausnahmeprojekte die zeitlich begrenzt sind. Es findet immer die Rückkehr zur vollen thematischen Öffnung statt.
Thematische Fokussierungen spielen im Konzept unter Anderem eine Rolle, da dass Konzept auch an klassisch-staatlichen Schulen (Nicht-Reformschulen) umsetzbar sein soll. Eine genaue Regelung der Öffnung und Schließung der thematischen Inhalte gibt das Konzept nicht vor. Das kann von Schule zu Schule und Lehrkraft zu Lehrkraft ganz unterschiedlich ausfallen.
Es gibt lediglich eine Richtlinie:
Es sol so viel thematische Fokussierungen geben wie nötig, jedoch so wenig wie irgend möglich. Das offene Forschen soll deutlich im Vordergrund stehen und lediglich zeitweise durch Fokussierungen befristet abgelöst werden.
Ist es an der Schule umsetzbar überhaupt keine thematischen Einschränkungen einzusetzen, wird dies befürwortet. Allerdings werden gelegentliche Themenzentrierungen auch nicht verteufelt.

Sie fragten:
Kann ein Kind die Aufgabe wechseln, d.h. sich anders als im Wochenplan vorgesehen Lerngegenständen zuwenden. Und muss das mit dem Lehrer abgesprochen werden, braucht es eine Rücksprache?

Meine Antwort:
Ja, jedes Kind hat die Möglichkeit dies zu tun, es sei denn es befindet sich gerade in einer temporär themenzentrierten Phase (wie oben beschrieben). Das Kind benötigt keine Erlaubnis, sagt dem Lehrer aber Bescheid, damit dieser den Überblick behält. Eine Absprache erfolgt auf Wunsch des Kindes.

Sie fragten:
Können Kinder jederzeit auch die Klasse verlassen um außerhalb dieser zu arbeiten - wer entscheidet an diesen Stellen?

Meine Antwort:
Ja, das dürfen sie. Es gibt einen Nebenraum und ein schönes Außengelände. So lange die Aufsichtspflicht gewahrt wird, dürfen die Kinder überall lernen.


Sie fragten:
Gibt es Plätze, wo Kinder nicht arbeiten dürfen?

Meine Antwort:
Die Toilette (es sei denn, genau diese soll erforscht werden). Dies hat hygienetechnische Gründe.


Sie fragten:
Gibt es einzelne Kinder, für die irgendwelche Einschränkungen gelten? Wenn ja, wer bestimmt wer wie eingeschränkt wird? Wenn ganz geschlossen auch nur selten vorkommt - wie viel Vorgaben gibt es und wie viel Freiraum besteht für jedes einzelne Kind? Gibt es Kinder mit unterschiedlich viel Freiraum? Nach welchen Kriterien wird das entschieden. Was geschieht, wenn ein Kind mehr Freiraum in Anspruch nimmt? Darf ein Kind Pflichtteile ablehnen? Wie wird damit im OUmM umgegangen? Wie wird aus einer ganz geschlossenen oder geschlosseneren Lernsituation wieder offenes Lernen?


Meine Antwort:
Beispiel: Über mehrere Wochen oder Monate stellt sich heraus, dass Peter große Schwierigkeiten mit dem offenen Lernen hat. Er hat ADHS. Er ist nicht in der Lage, eigene Ideen zu entwickeln. Er weiß nicht, was er schreiben oder forschen könnte. Die Auswahl eines eigenen Themas fällt ihm sehr schwer. Um es genau zu sagen ist dies für ihn ein Ding der Unmöglichkeit. Ein Lernen findet kaum oder extrem eingeschränkt statt.
In einem Gespräch fragt man das Kind, was man machen könnte, um ihm das Lernen zu erleichtern. Gemeinsam mit dem Kind erarbeitet man einen Plan. Oftmals sieht der Plan dann so aus, dass der Lehrer dem Kind unter die Arme greift.
Gemeinsam mit Peter erstellt man einen Arbeitsplan, der ihm sehr kleinschrittig sagt, was er tun soll (Erstens, zweitens, drittens etc.)
Traut sich das Kind nach einiger Zeit mehr zu, darf es sofort wieder in die offenen Strukturen übergehen. Hierfür fragt der Lehrer regelmäßig: "Meinst du, du schaffst es jetzt auch alleine, oder willst du weiterhin, dass ich dir helfe?"
Kein Kind wird künstlich in geschlossenen Strukturen gehalten, sondern stetig ermutigt selbstständig zu arbeiten.


Sie fragten:
Können die Kinder selbst entscheiden, was sie wann und wie in der Show präsentieren? Gibt es auch außerhalb der Show Präsentationenmöglichkeiten - welche Rolle spielt das Bedürfnis der Kinder?

Meine Antwort:
Ja, die Kinder können selbst entscheiden. Präsentiert wird dann, wenn die Kinder mit ihrem Projekt fertig sind. Das heißt, wenn sie für die Fertigstellung mehrere Wochen benötigen, setzen sie in der Wochenshow für die Zwischenzeit aus.
In der Gestaltung der Präsentation ist den Kindern keine kreative Grenze gesetzt. Sie habe grundlegende Präsentationstechniken gelernt, auf die sie zurückgreifen können, wenn sie das wollen. In der Ausgestaltung und Weiterentwicklung der eigenen Präsentation gibt es keine Einschränkungen.
Passt ein Projekt nicht in den Rahmen der Wochenshow, können auch andere Präsentationsplattformen vereinbart werden. Z.B. wenn Kinder ein Theaterstück konzipiert haben, wird ein Termin in der Aula zur Aufführung vereinbart, möglicherweise auch außerhalb der Unterrichtszeit.
Das Bedürfnis der Kinder spielt eine große Rolle. Das Konzept ist flexibel und dehnbar.


Sie fragten:
Können Kinder Regeln verändern oder abschaffen?

Meine Antwort:
Ja, das können sie. Im Klassenrat kann alles besprochen, diskutiert und vereinbart werden.
Der Lehrer behält sich jedoch das Recht vor, Regeln wieder einzusetzen, sofern sich deren Abschaffung als lernhinderlich erweist. Vielleicht wolen die Kinder das dann aber auch selbst.
Anders als bei Peschel bewahrt sich der Lehrer als Lernmanager ein gewisses Bestimmungsmonopol, von dem er allerdings möglichst wenig Gebrauch macht.


Sie fragten:
Und woran und wie wird gemessen, was gut funktioniert?

Meine Antwort:
Wenn das Kind arbeitet und beschäftigt ist, dann funktioniert es. Wenn es nicht beschäftigt ist, dann funktioniert es nicht.

Es ist ganz einfach:
Schreiben lernt man durch schreiben.
Durch Nicht-Schreiben erlernt man Nicht-Schreiben.
Von nix kommt nix.

Es ist für das offene Lernen zunächst nicht wichtig, wie viel ein Kind leistet oder wie gut das Produkt ist ist. Wichtig ist nur, dass es etwas leistet.

Sofern sich ein Kind beschäftigt, steht dem offenen Lernen nichts im Wege.


Sie fragten:
Wie wird festgestellt, ob Kinder mehr oder weniger Freiheiten möchten oder brauchen?

Meine Antwort:
Zum einen durch die Beobachtung, ob sich das Kind beschäftigt. Zum anderen durch das Gespräch mit dem Kind.


Sie fragten:
Nach welchen Kriterien wird das Selbstlernen ausgeweitet oder eingeschränkt? Wann wird umgesteuert? Nach welchen Kriterien wird festgelegt, ob ein Kind mehr oder weniger selbstlernen soll?

Meine Antwort:
Ich denke, diese Fragen sind durch die oberen Ausführungen bereits mit beantwortet worden.


Sie fragten:
Werden alle Kinder gemeinsam 'berieselt' oder können sich auch nur einzelne Kinder berieseln lassen, bzw. vom berieseln ausklinken?


Meine Antwort:
Ein Berieselnlassen findet in Form von Kompetenztrainings statt, die veranstaltet werden, wenn dies für das offene Arbeiten nötig erscheint. Inhalte könnte sein: Wie benutze ich den Computer? Wie führe ich eine Schreibkonferenz durch? Wie finde ich ein Thema im Internet. Was mache ich, wenn ich einen Satz nicht verstehe?
etc.

Solche Trainings werden für alle Kinder veranstaltet. Sie sind zeitlich begrenzt. Im Maximalfall kann eine Methodenwoche stattfinden. Spätestens dann sollte das offene Lernen wieder einsetzen.

Diese Trainings haben stets das Ziel, die Kompetenz der Kinder zum selbstständigen Lernen zu erweitern und sie zu unterstützen.

In den offenen Lernphasen gibt es natürlich auch Einzeltrainings im Zuge der Beraterfunktion des Lehrers.


Im Rahmen des Sachunterrichts sind zeitweise Phasen des Berieselnlassens denkbar. Manche Lebensbereiche sind nur schwer über das offene Lernen zu erschließen. Ich denke hierbei z.B. an physikalische oder chemische Experimente mit überaus komplizierten Aufbauten und einem gewissen Gefahrenpotential. Manche Dinge bieten sich einfach dafür an, sie in der Gemeinschaft durchzuführen. Zum Beispiel halte ich auch die gemeinsame Thematisierung der Sexualkunde mit der Gesamtgruppe für sinnvoll. Ein Austausch miteinander ist hier extrem wichtig.

Sicherlich wäre es interessant eine Liste mit Gegenständen der Lebens- und Lernwirklichkeit zu erstellen, die sich durch eine offene Lernmethodik nur schwer erschließen lassen.

Hieraus ließe sich ein kleines Gewährleistungscurriculum erstellen, aus dem man sich gelegentlich ein Thema (gerne auch gemeinsam mit den Kindern) herauspickt. Allerdings müsste dieses Curriculum sehr klein gehalten werden, damit das offene Lernen nicht übermäßig eingeschränkt wird. Ich denke hier an ein Verhältnis von vielleicht 90 zu 10 für das offene Lernen.


Ich hoffe, ich konnte hiermit die meisten Fragen beantworten.

Beste Grüße
Michael Kellner

12.04.2009 20:21 Michael Kellner ist offline Email an Michael Kellner senden Homepage von Michael Kellner Beiträge von Michael Kellner suchen Nehmen Sie Michael Kellner in Ihre Freundesliste auf
Homô Latînus
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Mein Senf dazu Zitatantwort auf diesen Beitrag erstellen Diesen Beitrag editieren/löschen Diesen Beitrag einem Moderator melden       IP Information Zum Anfang der Seite springen

Hallo Zusammen!

ich möchte zu dieser interessanten Diskussion, für die ich Ihnen beiden sehr dankbar bin, ein wenig nachtragen und die Fragen nennen, die sich bei mir eingestellt haben. Dabei verfüge ich allerdings über fast keine pädagogische Erfahrung.

Zunächst der Reihe nach:

Zitat:
Möchte jemand einen Tisch bauen, so wäre es doch sinnvoll, ihm vorher zu zeigen wie der Hammer gehalten und der Hobel bewegt wird.

(I: Kellner)
Dazu meine ich, dass man auch durch Ausprobieren der Werkzeuge ihre Funktion herausbekommen kann.

Viel klarer ist das folgende:
Zitat:
Es hat sich gezeigt, dass das methodische Vorwissen der Kinder bzgl. des Lernen lernens für sie mehr als hilfreich bei der selbstständigen Konzeption neuartiger Methoden für das eigene Lernen (im sog. offenen Wochenplan) ist - ja, es sie gar beflügelt.

(I: Kellner)
Das scheint mir ein bedeutender Vorteil des OUmM zu sein - Leider sind Sie, Herr Göndör, nicht darauf eingegangen.

Zur Definition des Offenen Unterrichts: Ich denke Herr Kellner meint, dass es keine Anleitung für Lehrer od. besser Lernhelfer gibt, nach der sie ihren Offenen Unterricht durchführen können, die sie brauchen weil ihre Intuition nicht so gut ausgeprägt ist.
Meines Erachtens ist daran nicht nur die Lehrerbildung schuld sondern schon die Schule selbst die eine seelische Entwicklung schon von vornherein behindert, bestenfalls nicht fördert.
Ich habe in einem Praktikum, selber psychisch noch nicht wieder auf den Beinen, während einer Schulstunde eine Schülerin trösten müssen, deren Großmutter gestorben war. Ihre Mitschüler blieben regungslos auf ihren Sitzen - von solchen in ihrer Fähigkeit zur Anteilnahme schon gestörten Menschen werden zukünftige Lernhelfer rekrutiert - Das kann ja von vornherein nicht gutgehen! Allerdings muss ich anmerken, dass der Lehrer in der Lage war zu reagieren - vielleicht ist es auch die Schülerrolle im Unterricht, die das Anteilnehmen blockiert(e) - Bei dem Gedanken an Erkenntnissen über diese Sache ist mir die Rückmeldung an Peschel über das Verhalten seiner Schüler in den weiterführenden Schulen eingefallen. Er hörte von dem stärkeren Verantwortungsbewusstsein und der größeren Empathiefähigkeit seiner Schüler(leider habe ich Peschels Bücher verliehen so dass ich keine Stellenangabe machen kann). Diese Beobachtung scheint meinen Gedanken zu stützen...

->Verstehe ich Sie richtig, Herr Kellner, wenn ich sage, dass Sie die "Genialität" Peschels in seiner Fähigkeit intuitiv auf das Verhalten der Kinder zu reagieren sehen?

In gewisser Weise ist Ihr Konzept nur ein "eingefrorene" Zwischenstufe des OU nach Peschel: LerhelferIn und SchülerInnen werden noch nicht ganz freigelassen. Damit will ich dieses Konzept keineswegs abwerten; wie oben angedeutet, halte ich die gewählte Konstellation für sehr geschickt gewählt.
In einem Punkt sind Sie sogar offener als Peschel: er lässt keine Lehrgänge(gibt es solche bei ihnen, Herr Kellner?) zu Sie scheinen das offener zu sehen. Warum auch nicht: Mann kann den SchülerInnen doch die Möglichkeit zu Erfahrung eines Lehrgangs lassen...

-> Synthese

Ich persönlich würde den Weg in der Mitte wählen und dabei die Offenheit auf die Spitze treiben": ich würde den Kindern erklären dass sie in der methodischen Dimension im Groben(! das schließt Zwischenstufen nicht aus!) auf der einen Seite offen lernen oder auf der anderen geschlossen unterrichtet werden können.
Als Vorteil des Methodikunterrichts würde ich Ihre Beflügelung anführen, als Vorteil der Methodiklernens größtmögliche Freiheit und vielleicht das größere Selbstbewusstsein, alles selbst geschaffen zu haben. Aber Letzteres wird vielleicht durch die bessere Entfaltungsmöglichkeit nach dem Methodikunterricht aufgewogen.
Ich würde sie also vor die Wahl stellen: Das ist dann der offenste Lernunterricht nach Matthias Herrberg Augenzwinkern

Habe also spät fremde Früchte geerntet. Im Ernst, den Gedanken Lehrgänge frei zu geben hatte ich schon bei der Lektüre von Peschels Büchern.

->Wissen Sie beide ob es Erfahrungen mit lehrgangsartigem Material innerhalb des Offenen Unterrichts gibt?

-> Zugrunde liegende Philosophie(n):

Man könnte sagen Peschels Bild der Kinder ist mehr am Bild der ganz autonomen Forscherwesen, während der OUmM und meine eigene Ableitung etwas näher am Bild des Kulturwesens sind, das -wie ich das gerade tue- Bestehendes zu einem gewissen Teil übernimmt und es weiterentwickelt.

Ich denke eine gesunde Mischung aus beiden Ansichten trifft das "Natürliche Lernen" des Menschen am besten.

Mehr zum Thema Philosophie:
Zitat:

Es kann sein, daß Kinder langsam lernen, daß sie etwas nicht lernen, was sie lernen sollen, das sie etwas nicht lernen, weil sie von ganz anderen Problemen belastet sind, z.B. Arbeitslosigkeit - um nur eines zu nennen. In den letzten beiden Fällen können die Schüler nicht nur nicht offen sondern auch mit keinem anderen Konzept lernen. Sie brauchen Hilfe und Trost, Beistand. Wenn sie nicht lernen, was sie sollen - dieses Problem kommt im Offenen Unterricht nach Peschel nicht vor - es gibt keine Pflichtaufgaben, es gibt kein sollen.

Hier zeigen Sie sehr deutlich, was ich gerne als die radikale Ideologie des Offenen Unterrichts bezeichne. In einem sehr stark philosophisch anmutenden Absatz, der neben seiner schönen Klangfarbe faktisch als fragwürdig zu bezeichnen ist, erklären sie den Ansatz „Offener Unterricht“ praktisch für unfehlbar und verneinen die Existenz von Kindern für die dieser Lernweg unvorteilhaft ist. Offener Unterricht ist nach dieser Darstellung für alle der einzig richtige Weg!
Ich gebe zu, dass offener Unterricht für die meisten Kinder überaus große Vorteile bringt, aber wo bleibt trotz allem die Kritikfähigkeit und ein gesunder Abstand zur eigenen Sache?

?: Kellner
Ich denke, dass eine philosophische Grundlegung an sich nichts falsches, ja sogar etwas sehr wichtiges ist. Jedweder offene(re) Unterricht braucht Überzeugungstäter und tiefes Nachdenken über die Gründe warum ich dies oder jenes tue oder lasse. Nur Lernfähig muss man bleiben. Übrigens war auch ich bis ich diese Diskussion hier gelesen habe ein "Gläubiger" des OU nach Peschel: der Gedanke, dass die Kinder es weitestgehend ohne Anleitung schaffen und die "Guten Menschen" längst unter uns sind, ist verlockend... ... aber doch etwas zu einfach die Sache ist eben doch komplizierter. Jedenfalls würde ich Ihnen Herr Kellner die Entwicklung einer eigen Philosophie ans Herz legen.


Zum Thema Überforderung durch OU:
Zitat:

Beispiel: Über mehrere Wochen oder Monate stellt sich heraus, dass Peter große Schwierigkeiten mit dem offenen Lernen hat. Er hat ADHS. Er ist nicht in der Lage, eigene Ideen zu entwickeln. Er weiß nicht, was er schreiben oder forschen könnte. Die Auswahl eines eigenen Themas fällt ihm sehr schwer. Um es genau zu sagen ist dies für ihn ein Ding der Unmöglichkeit. Ein Lernen findet kaum oder extrem eingeschränkt statt.
In einem Gespräch fragt man das Kind, was man machen könnte, um ihm das Lernen zu erleichtern. Gemeinsam mit dem Kind erarbeitet man einen Plan. Oftmals sieht der Plan dann so aus, dass der Lehrer dem Kind unter die Arme greift.
Gemeinsam mit Peter erstellt man einen Arbeitsplan, der ihm sehr kleinschrittig sagt, was er tun soll (Erstens, zweitens, drittens etc.)
Traut sich das Kind nach einiger Zeit mehr zu, darf es sofort wieder in die offenen Strukturen übergehen. Hierfür fragt der Lehrer regelmäßig: "Meinst du, du schaffst es jetzt auch alleine, oder willst du weiterhin, dass ich dir helfe?"
Kein Kind wird künstlich in geschlossenen Strukturen gehalten, sondern stetig ermutigt selbstständig zu arbeiten.

Das scheint mir ein guter, nicht bevormundender Umgang zu sein.
Wie ging oder geht Peschel mit solchen Kindern um, Herr Göndör?

Zum Thema Lehrerbildung
(Kommt noch!)

Zum Verlauf der Diskussion:
->Konfrontation mit Lerninhalten
Zitat:

Sie schreiben: Ansatz Falko Peschel: (Man entlässt die Kinder von Anfang an in eine vollwertige 3-Stufen-Öffnung und konfrontiert sie mit der Vielfalt der schulischen Lerninhalte. Am besten lernen die Kinder, wenn man sie einfach machen lässt.

Sorry, aber da möchte ich schon Widerspruch einlegen. Die Kinder werden nicht entlassen, sondern sie kommen und nehmen ihre neue Schul-Klassenumgebung in Besitz. Falko Peschel hat nicht drei Stufen sondern fünf und die Kinder werden nicht mit der Vielfalt der schulischen Lerninhalte konfrontiert, sondern die LehrerIn hört erst einmal zu. In seiner Dokumentation schildert Peschel den ersten Unterrichtsalltag als Tag der Kinder.

II: Göndör
- Meiner Ansicht nach liegt da ein Missverständnis vor: Wenn ich Herrn Göndör richtig verstehe, kommt es ihm auf das Wort 'Konfrontation' an: Die Kinder werden nicht von der LehrerIn mit den Lerninhalten konfrontiert, sondern sie suchen sich sie heraus - es ist also in diesem Sinne kein "Schock" für die Kinder, den man aus dem Wort 'Konfrontation' herauslesen könnte.

->Zum Thema "Rufmord":
Zitat:

...das Konzept Peschels, welches den radikalen Idealismus der Bewegung „Offener Unterricht“ (welcher geschichtlich gewachsen ist) immer noch sehr ernst nimmt und diesen über die Bedürfnisse des Kindes stellt. Offener Unterricht Total, ob Kind will bzw. kann oder nicht.

IV: Kellner
Ich denke schon, dass das so wie Sie es schreiben, falsch ist. Sie hätten Ihre Aussage ja wenigstens abschwächen können: "Ich habe den Eindruck, dass...". Ich glaube nicht das, Peschel und seine Mitstreiter ihren Idealismus über die Bedürfnisse der Kinder stellt. Man könnte höchstens sagen: "Sie sind blind für die Grenzen"... (haben Sie dann ja auch so geschrieben: es ist schwer in dieser langen Diskussion den Überblick zu behalten)

Bis bald,

Matthias Herrberg

__________________
ein Lateinlehrer "...die wollen nichts lernen; Die wollen Latein sprechen"
Eine fünfte Klasse als es klopft: "INTRAT!" knapp vorbei an 'tritt ein!', aber dennoch ein eindrucksvoller Ausbruch!
Potential ist also genügend vorhanden.

Dieser Beitrag wurde schon 4 mal editiert, zum letzten mal von Homô Latînus am 19.12.2009 13:39.

18.12.2009 18:48 Homô Latînus ist offline Email an Homô Latînus senden Beiträge von Homô Latînus suchen Nehmen Sie Homô Latînus in Ihre Freundesliste auf
Juergen
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Hi Matthias Herrberg,

Das Problem ist genau das, was Freinet schon mit dem Fahrradfahren beschrieben hat:

http://freinet.paed.com/freinet/ecf.php?action=ecfo4a

"Möchte jemand einen Tisch bauen, so wäre es doch sinnvoll, ihm vorher zu zeigen wie der Hammer gehalten und der Hobel bewegt wird."

Daraus folgern Michael Keller, dass man doch ein gewisses Vorwissen braucht...

Ich habe jedoch noch kein Kind gesehen, was einen Tisch bauen möchte - es will erst einmal hämmern. Sie tun den ersten Schritt vor dem zweiten: Erst kommt das Interesse des Kindes, es den Erwachsenen gleich zu tun, sie nachzuahmen und eben nicht das Vorhaben, einen Tisch zu bauen.

Wenn das Kind dann hämmert ist es sicherlich auch aufgeschlossen, wenn man ihm den einen oder anderen Tipp gibt, wie es sein Tun verbessern kann.

Genauso ist es bei den methodischen Kniffs. Wer etwas sucht, ist für Hilfen und Tips aufgeschlossener als jemand, dem man erst einmal Kniffs und Hilfen anbietet, wenn er noch gar nicht weiß, wofür er das denn brauchen könnte.

Das ist eine alte Regel der Reformpädagogik: Erst die eigene Erfahrung und daraus die Fragen.

Der umgekehrte Weg führt leider immer wieder zu aufgeblähten Methodenkanons, die erst einmal vorgeschaltet werden müssen.

Peschel hat die Anlauttabelle, aber ohne allen Kindern erst einmal zu erklären wie das denn zu benutzen ist.

Diesen Unterschied möchte ich schon deutlich machen - auch wenn er mehr theoretisch ist.

Das Beispiel vom Trösten zeigt recht gut, was der traditionelle Unterricht ausblendet: Das Kind wird nur als Lerner akzeptiert und lernt damit auch, dass alles, was nix mit Lernen zu tun hat hier an der Schule unerwünscht ist. Daher bleiben sie lieber sitzen, statt zu trösten.

Die Genialität ist schlicht und ergreifend das, was man in der Psychotherapie die Fähigkeit zur 'Echtheit' nennt, oder die soziale Kompetenz. Sie wird vom Lehrer gelebt, ist aber nicht von ihm gepachtet - alle anderen können sie auch entwickeln.

Wer Schüler als Du, als Menschen ernst nimmt kommt gar nicht auf die Idee auf die Frage nach der Uhrzeit zu sagen: Richtig. Genaugenommen ist das pervertierte Sozialkompetenz.

Wenn Sie Peschel zuschreiben, er lasse Lehrgänge nicht zu, so beginnen Sie Peschel in eine Ecke zu stellen, in der er nicht ist. Er sagt, er setzt keine ein - weder propagiert er sie, noch weist er darauf hin, noch lässt er sie demonstrativ in der Klasse herumliegen. Sie sind auch nicht notwendig.
Weil es in der Klasse so viele Lernanregungen und Lernanlässe gibt, die die Kinder eben aufgreifen oder nicht, wie sie es gerade brauchen.
Spitzer würde sagen: ein Lehrgang ist der Versuch, das Gehirn zu gängeln, ihm Lernwege aufzunötigen, die es gar nicht braucht. Denn es ist von der Evolution her auf Lernen optimiert und tut nichts lieber und kann nichts besser.
Wenn ein Kind damit ankommt und damit arbeiten will - sähe ich und wahrscheinlich auch Falko Peschel darin kein Problem. Ehr darin, daß so ein Lehrgang von den anderen vielfältigen Lernanlässen abhält und sein Thema meist recht eindimensional verfolgt - und schon gar nicht emotional.
Er greift eben immer von der Sache her an und nie von den Interessen und Vorlieben des Kindes her. Genau darum geht es aber. Diese zum Motor des Lernens zu machen.

Wenn Sie die Offenheit auf die Spitze treiben und den Kindern die Entscheidung überlassen wollen und auch noch für den Methodikkurs werben (seine Vorteile heraustellen) dann vertrauen Sie leider auch nicht auf diesen Motor, sondern - zugespitzt - nutzen ihre Stelle als Lehrer dazu Kinder für IHR Ding zu begeistern. Damit nehmen Sie die Kinder aber aus meiner Sicht nicht mehr ernst, weil sie überlassen Ihnen ja nicht wirklich die Entscheidung.
In seinem Buch: Kinderrepubliken hat Kamp schon gesagt: Kinder haben keine Chance gegen Erwachsene, die ihr Ziel verfolgen.

Es geht ja auch nicht mehr um die Entfaltung der Möglichkeiten der Kinder nach ihrem eigenen, individuellen Vermögen, sondern um die 'größt mögliche' xy. (Freiheit, ...)

Darin sehe ich einen Irrweg.

Erfahrungen mit Lehrgängen bei Peschel kenne ich nicht. Allerdings einen Unterricht, den sich ein 'offener Lehrer' und eine 'geschlossene Lehrerin' teilten. Nach einigen Wochen lobten die Kinder die geschlossene Lehrerin für ihren Unterricht, machten aber unmissverständlich klar, dass sie nun lieber wieder ihre eigenen Themen bearbeiten würden.

Haben 'Ihre' Kinder diese Freiheit?

Peschel ist nicht am Forscherwesen interessiert, sondern am Kind. Er nimmt das Kind radikal ernst, seine Interressen, seine Vorlieben, seine Wünsche.

Er unterstützt die Kinder darin, das zu erreichen, was sie sich vorgenommen haben. Er fragt sie auch, ob sie denn z.B. an dem oder jenem kein Interesse hätten - aber er gibt sich mit der Antwort zufrieden. Wenn jemand lieber Geschichten schreibt statt Mathe zu machen, dann geht es ihm nicht darum, dem Kind vorzuführen, wie wichtig doch Mathe ist und ob es denn nicht vielleicht doch sinnvoll wäre, wenigstens ein bisschen Mathe jeden Tag zu machen. Er vertraut darauf, dass diese Entscheidung bei Kindern eben jetzt gilt und akzeptiert das auch. Er vertraut ebenso darauf, dass die Entscheidung zu einer anderen Zeit anders ausfallen kann. Er nimmt die Kinder halt wirklich ernst.

Die Mischung aus beiden Ansichten wäre also eine Mischung aus Ernst nehmen und nicht Ernst nehmen. Das aber macht keinen Sinn.

Das gleiche ist der gesunde Abstand zur eigenen Sache, der in dem von Ihnen gemachten Zitat verlangt wird. Ich weiß, es ist gegen all das, was in der tratitionellen Schule selbst erfahren und in der Lehrerausbildung vermittelt wird. Aber wenn man einen Menschen Ernst nehmen will, dann geht das nur mit Haut und Haar - gerade wo wie beim schwanger sein: Ein bisschen schwanger geht nicht. Und ein bisschen Ernst nehmen ist Willkür ist Manipulation.

In dem Video http://offener-unterricht.net/ou/start-o...action=litvideo (Ich lerne was ich will 1-5) können Sie auch schön erleben: Peschel moniert die Disziplin im Kreis, aber nicht disziplinierend, sondern er führt den Kindern die Möglichkeiten vor Augen: Sie können sich für den Kreis entscheiden, oder auch gegen ihn. Nur so, wie es jetzt ist: ein Kreis in dem es laut ist und jeder redet wann er will, an dem will er nicht teilnehmen. Es kann also auch so bleiben wie es ist, nur er verlässt dann den Kreis.
Da ist wieder diese Echtheit: Ihr könnt das so machen wie ihr wollt und ich verhalte mich dann so und so.
Das Video zeigt, es ist keine Drohung der betretenes Schweigen folgt. Die Kinder diskutieren über die Möglichkeiten und der Kreis geht als Kreis weiter. Ich sehe darin keine Taktik Peschels, keine Machtprobe, eindeutig nicht.

Zu den Überforderden Kindern mit ADHS

Die Beispielbeschreibung hat den typischen Ansatz von Schule: Das Kind wird nicht als Kind akzeptiert wie es ist, sondern nur als Lerner. Die Diagnose ist: Das kann es halt nicht und ist total überfordert. Also wird ein Plan mit ihm ausgearbeitet, wie es lernen könnte. Dieser schreibt kleinschrittig vor, was Peter tun muss, um zum Lernen zu kommen.

Wieder geht es nicht um das Kind, wie es ist. Sondern um das Kind, wie es die Schule braucht.

Peschel geht den umgekehrten Weg: Er fragt, was braucht das Kind?

Ebenfalls in dem Film ist ein Beispiel von Andrè, der erst einmal in der Gruppe ankommen kann, merken kann, dass er so akzeptiert wird, wie er ist, dass von ihm nichts verlangt wird, dass er seine ganzes Verhaltensrepertoire gar nicht braucht um von seiner Unsicherheit mit dem Lernen abzulenken.
Erst als das geschafft ist, findet auch Andre seinen Weg um für sich was zu lernen, nicht weil es die Schule so will, sondern weil er es für sich will.

Ich selbst habe zu wenig eigene Erfahrung mit ADHS-Kindern, auch wenn ich mich damit lange beschäftigt habe. Ich bin mir fast sicher, dass der kleinschrittige Lehrgang das Problem verschärft, ebenso die kleinschrittige Überwachung und Kontrolle und die genaue Beobachtung. Ich vermute, dass Erfolge auf diesem Gebiet nicht die Erfolge der Methoden sind, sondern Erfolge, die trotz der Methoden oder wegen anderer Effekte erreicht werden.

Ist unsere Gesellschaft heute bereit zu akzeptieren, dass sich jemand für Gärtner entscheidet und nicht für einen hohen Schulabschluss. Ist das eine vollwertige Entscheidung oder eine, die getroffen wurde, weil das andere ja nicht möglich war? Eine Entscheidung zweiter Wahl? Muss halt mit Gärtner zufrieden sein? Bildet sich darin nicht die ganze Hybris nach noch mehr, noch höher, noch besser ab?

zu der Konfrontation mit Lerninhalte:

Es geht mir um den grundlegenden Gedanken, dass Schule etwas ist, was die Kinder durchlaufen müssen, in der sie bestimmmtes Lernen müssen, ...
Damit werden sie konfrontiert.

Demgegenüber steht eine Schule, die Kinder so nimmt, wie sie sind und sie unterstützt das zu erreichen, was sie sich selbst vorgenommen haben. Das ist kein selbst aussuchen aus dem was bereitgestellt worden ist.
Das ist wirklich den eigenen Weg suchen, der beim Gehen entsteht.

Ich hoffe mich verständlich gemacht zu haben.

Liebe Grüße

Jürgen Göndör

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Jürgen Göndör
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30.12.2009 01:52 Juergen ist offline Email an Juergen senden Homepage von Juergen Beiträge von Juergen suchen Nehmen Sie Juergen in Ihre Freundesliste auf
 
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